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Das Problem mit dem Sex: Warum sind ChristInnen so verklemmt?

Komm und küss mich, küss mich immer wieder! Ich genieße deine Liebe mehr als den besten Wein. Nimm mich bei der Hand! Schnell, lass uns laufen, bring mich zu dir nach Hause! Du bist mein König! Ich freue mich über dich, du bist mein ganzes Glück. Deine Liebe ist kostbarer als der edelste Wein.“
Die Bibel, Hoheslied Kapitel 1, Vers 2-4

Ganz ehrlich:
Warum reden ChristInnen nie darüber, wie viel Spaß Sex macht?
Vor lauter Angst vor moralischen Fehlern wirken selbst offiziell verheiratete, heterosexuelle, christliche Paare, die nun wirklich jedes Recht haben, Sex zu genießen, völlig verklemmt.
Warum? Gelebte partnerschaftliche Sexualität ist ein Geschenk Gottes. Gott hat Sex erfunden! Wer sonst, wenn wir glauben, dass er unser Schöpfer ist? Warum gehen wir mit diesem Geschenk um, als wäre es ein hochexplosiver Sprengsatz? Warum sprechen wir nie positiv darüber in unseren Kleingruppen, sondern ermahnen uns nur ständig zu ehelicher Treue?
Sex ist Freude am anderen, Freude am eigenen Körper, Spaß, Extase!
Warum erleben wir das nicht?
Und wenn wir es erleben, warum reden wir nicht darüber?
König Salomo, der das Hohelied der Liebe schrieb, hatte diese Hemmungen nicht. Und diejenigen, die das Hohelied in die Bibel aufnahmen, ganz offensichtlich auch nicht. Sonst wären diese Liebesschwüre und erotischen Dialoge nie überliefert worden.

Nachts auf meinem Bett sehnte ich mich nach meinem Liebsten. So gern wollte ich bei ihm sein, doch er war nicht da! »Ich will aufstehn, die Stadt durchstreifen, durch die Gassen und über die Plätze laufen. Meinen Liebsten muss ich finden!« Ich suchte nach ihm, doch vergebens. Bei ihrem Rundgang griff die Wache mich auf: »Habt ihr meinen Liebsten gesehen?«, fragte ich sie. Kaum war ich an ihnen vorbei, da fand ich ihn, dem mein Herz gehört. Ich hielt ihn fest und ließ ihn nicht mehr los. Ich führte ihn in das Haus meiner Mutter, in jene Kammer, in der sie mich empfing.
Die Bibel, Hoheslied Kapitel 3, Verse 1-3

Hallo, sie wird mit ihm zurück im Haus wohl kaum im Dunkeln die Steuererklärung diskutieren oder endlich mal wieder Schach spielen!
Natürlich ist es absolut notwendig, Teenagern einen verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Körper und der erwachenden Sexualität beizubringen. Aber spätestens, wenn wir nach allen Regeln des Staats und der Kirche verheiratet sind, kann man dann nicht einfach Spaß haben?
Offensichtlich nicht.
Stattdessen wird die eheliche Treue hochgehalten, was sehr sinnvoll und notwendig ist, aber doch bitte nicht alles, was es zu Sex in der Ehe zu sagen gibt!
Warum sind wir so sprachlos?
Und warum nervt es anscheinend niemanden außer mir?
Würde ich heute Abend in meiner Kleingruppe sagen: „Leute, wir reden viel zu wenig über ehelichen Spaß im Bett, unter der Dusche und auf der Pferdekoppel!“, würde ich wohl ein ernstes Gespräch unter vier Augen riskieren.
Warum???

„Deine Brüste sind wie junge Zwillinge einer Gazelle, die zwischen Lilien weiden. Abends, wenn es kühl wird und die Nacht ihre Schatten über das Land breitet, will ich zu dir kommen – zu dem Hügel, der nach Myrrhe und Weihrauch duftet. Deine Schönheit ist vollkommen, meine Freundin, kein Makel ist an dir.“
Die Bibel, Hoheslied Kapitel 4, Verse 5-7

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Buchempfehlung „Stark in stürmischen Zeiten: Die Kunst, sich selbst und andere zu führen“

Durch eine persönliche und wirtschaftliche Krise beginnt der Hotelmanager Bodo Janssen, ganz neu über seine Rolle als Führungskraft nachzudenken. Er hat das Unternehmen seiner Eltern aus der Insolvenz geführt, aber eine Mitarbeiterbefragung zeigt, dass die Angestellten im höchsten Maß unzufrieden sind: Sie fordern einen anderen Chef. Völlig geschockt und in seinem Ego tief erschüttert beginnt Bodo Janssen seine Suche nach einer gesunden Vorbildfunktion. Dabei kommt er mit dem Benediktinermönch Anselm Grün in Kontakt, der ihm erklärt, dass es zunächst darum geht, sich selbst kennenzulernen und sich zu führen. Wer zwischen Arbeitswut, Ablenkung und der Sucht nach Anerkennung durch andere schwankt, kann nicht authentisch und gelassen die Angestellten leiten.

„Die Bibel sagt: Deine Sprache verrät dich. (Matthäus Kapitel 26, Vers 73) Die Sprache, die wir in der Firma sprechen, verrät unsere innere Haltung. Die Kirchenväter sagen: Mit der Sprache bauen wir ein Haus. Und die Frage ist, welches Haus wir mit unserer Sprache bauen: ein Haus, in dem sich die Menschen angenommen und verstanden fühlen, oder ein Haus, in dem man friert, weil da eine kalte Sprache gesprochen wird, in dem man sich nicht wohlfühlt, weil man ständig Angst hat vor verletzenden und bewertenden Worten?


Je mehr ich anfing, über meine Schwächen, Ängste und Unsicherheiten zu sprechen, desto mehr bekam ich das Gefühl, dass zu und zwischen den Mitarbeitern die Beziehungen besser wurden. Auch hatte ich das Gefühl, je offener die Gemeinschaft wurde, umso größer wurde das Vertrauen und die gegenseitige Unterstützung füreinander. Es dauerte nicht lange, dann fühlten sich auch die Mitarbeiter dazu ermutigt, eigene Schwächen zu offenbaren.
Uns wurde bewusst, dass keiner von uns perfekt ist, aber wir als Menschen viele Gemeinsamkeiten haben, die uns verbinden. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Das gemeinsam geschaffene Verständnis, dass keiner von uns vollkommen ist, dass keiner von uns besser oder schlechter ist als der andere, war der erste wichtige Schritt zur „Vermenschlichung“, zur Verbesserung der Beziehungen innerhalb unserer Organisation. Immer seltener wurde ich in der Folge als narzisstischer, nicht integrer Business-Macht-Mensch angesehen, bei dem es sicherer war, über ihn zu sprechen, als mit ihm.


Denn das wurde uns auch bewusst: Die Ursache dafür, dass übereinander gesprochen wird, dass Gerüchte oder Tratsch entstehen, liegt in gestörten Beziehungen, in fehlendem Zusammenhalt. Je stärker der ist, desto schwächer ist die Gerüchte- und Lästerkultur.
Ohne Vertrauen wäre der Wandel nicht möglich gewesen, auch wenn wir in der Übergangszeit von einer durch Angst, Neid, Macht und Konflikten geprägten Kultur zu einer Kultur des Vertrauens, der Zugehörigkeit, Wertschätzung und Selbstverwirklichung das eine oder andere Mal einen hohen Preis zahlen mussten – bis zu dem Verlust eines Hotels. In letzter Konsequenz ist das Gefühl, sich gegenseitig vertrauen zu können, elementar für alle weiteren Schritte. Und aus diesem Grund ist wohl kaum ein Preis dafür zu hoch.“

Die beiden Autoren stellen Gedanken, Fragen und Aufgaben vor, die zum Nachdenken anregen. Perfekt wäre es natürlich, unseren eigenen Vorgesetzten dieses Buch in die Hand zu drücken mit der Bitte, es offen und ehrlich zu lesen. Das wird nur in den wenigsten Unternehmen möglich sein. Dennoch beharren die beiden darauf, dass eine Veränderung immer nur von uns selbst ausgehen kann und sich, wenn wir uns ändern, auch unsere Umwelt ändert. Und oft genug gingen große Bewegungen von der (scheinbar machtlosen) Basis aus.

Bodo Janssen und Anselm Grün, „Stark in stürmischen Zeiten: Die Kunst, sich selbst und andere zu führen“, Ariston Verlag

 

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Männer und Glaube. Männer und Gottesdienst. Eine schwierige Kombination?

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „AufAtmen“ hat als Schwerpunkt das Thema „Männerglaube“.
Die Autoren beleuchten, warum außerhalb von Vorstand und Renovierungsarbeiten so wenig Männer in der Kirche unterwegs sind – warum sind unsere Gottesdienste und unsere Freizeit-Angebote so intellektuell und einfühlsam, dass Männer damit oft wenig anfangen können? Warum gibt es im Bereich der Jugendreisen Kanu-Abenteuer en masse, aber für Männer maximal öde Gesprächskreise?

Einige Zitate aus der Ausgabe:
„Es müsste mehr klare Vision in der Kirche sein, eine konkrete Orientierung, wozu denn überhaupt Kirche da ist. Zudem haben es die meisten Männer gern, wenn sie ganz konkrete Projekte oder Ziele „in Angriff nehmen“ können. Sie wollen etwas bewegen. Sie wollen es auch in der Regel auf jeweils ihre Weise leidenschaftlich, kämpferisch und mutig tun. Eine Gemeinde, in der man zusammenhockt, weil man sich lieb hat, aber sonst nichts weiter geschieht, trägt für viele meiner Artgenossen in sich den Keim der Langeweile. Romantik ist bei 75% der Männer nicht die primäre Ausdrucksweise des Lebens. Das sollte man auch beim Liedgut bedenken.“
Dr. Heinrich Christian Rust, Pastor

„Mir scheint: So wie Männer Beziehungen auf ihre Art gestalten, gibt es auch eine männliche Art zu glauben. (…) Ein türkischer Kollege brachte es auf den Punkt. Als ich mich mit einer Kollegin darüber austauschte, weshalb unsere Söhne so ungern in den Gottesdienst gehen, sagte er scherzhaft: „Was ihr ihnen bietet, ist nicht attraktiv für sie. Schickt sie zu uns. Wir gehen nach dem Freitagsgebet auf die Straße und protestieren oder stürmen Botschaften. Das wird sie mehr begeistern als eure langweiligen Gottesdienste.“
Was er so scherzhaft und karikierend sagte, hinterfragt unsere Gemeinden und Angebote für Männer treffend. Bibelarbeiten und Gesprächskreise sind nicht jedermanns Sache. (…)
Ich glaube, dass Gott mir die Gaben des Mutes, der Kreativität und der Ausdauer gegeben hat. In den vorgegebenen Fahrrinnen des Alltags aber erlebe ich diese Gaben kaum. Ich bin mir ihrer nicht mehr sicher. In einer verlassenen Gegend im Regen stehend, ohne zu wissen, wo und wie es weitergehen kann, bestätigt er diese Gaben und hilft mir, sie auch dann einzusetzen, wenn im Alltag Dinge anders laufen als geplant.“
Jürgen Deuerlein, Ingenieur

„Eine wichtige Bedeutung hat auch das Bier. Ich will es zwar nicht theologisch überhöhen und die Freunde vom Blauen Kreuz mögen mir verzeihen: Fast alle Männer gaben zu, dass sie die Ausschreibung (Donauradtour für Pilger und Bierliebhaber) ohne den „Bier-Faktor“ zu langweilig gefunden hätten. Die verschiedenen Klosterbrauereien waren am Abend ein Muss. Keiner hat sich betrunken – aber der zungenlösende Einfluss des Bieres beflügelte die offenen und intensiven Gespräche. Da frage ich doch mal provozierend, ob es gegen das Schaffen einer guten Gruppen- und Gesprächsatmosphäre für Männer unter Zuhilfenahme von Bier irgendwelche praktisch-theologischen Bedenken gibt? Für roten Tee kann ich einen positiven Einfluss auf das Gesprächsverhalten von Männern jedenfalls eindeutig ausschließen.“
Stefan Pahl, Pfarrer

 

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Gegen die Sozialisation durch Rollenklischees: Puppenhaus spielen einmal anders!

Meine Reaktion auf das Anschauen einer Reportage gestern:
Heute morgen stand ich mit einem kleinen Mädchen, das zum Erstkontakt kam, vor dem Spieleschrank. Ich hatte ihr gesagt, dass wir beide mal schauen, was sie sich zum Spielen aussuchen mag, damit ich erstmal mit Mama reden kann. Nun zeigte ich ihr im Schrank sowohl die Autos und die Baustelle und die Murmelbahn als auch das Puppenhaus, damit sie sich völlig frei von Erwartungen an das Spielverhalten kleiner Mädchen etwas aussuchen kann. Leider waren ihr die Baustelle, die Autos und die Murmelbahn total egal – sie wollte das Puppenhaus. Nun ja, selbst schuld, wenn man eines besitzt…..
Also führte ich mit der Mutter die Anamnese durch und stand anschließend während des Spielens zum Kontaktaufbau mit dem kleinen Mädchen vor der schwierigen Aufgabe, gender-pädagogisch sinnvoll zu spielen.

Dazu ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass anhand der Impulse, die die Erwachsene zu Beginn des Spieles gibt, ganz unterschiedliche Scripte entstehen können – zwei mögliche Szenen der gleichen Ausgangslage:
Szene 1: „Komm, wir spielen mit dem Puppenhaus! Die Mama kocht und der Papa sitzt auf dem Sofa und schaut fern!“
Szene 2: „Komm, wir spielen mit dem Puppenhaus! Die Mama repariert den Fernseher und der Papa kocht so lange schon mal das Essen!“

Ha, es wäre doch gelacht, wenn man derart Mädchen-prädestiniertes Spielzeug nicht verwandeln und damit den alten Geschlechter-Rollen den Garaus machen kann!
Glücklicherweise hatte das kleine Mädchen nichts gegen diese Aufgabenverteilung, sodass Mama selig am Fernseher schraubte und Papa solange Möhren kochte. Bestens.
Jetzt braucht es „nur noch“ Wirklichkeit zu werden.