aufmerksam, feminin, glaubhaft

Päckchen für Frauen im Rotlicht vorbereiten

Wie lebt eine Frau im Rotlichtviertel? Wie sieht ihr Alltag aus und worüber freut sie sich?
Anfang der Woche erhielt ich eine Mail von der Frau unseres Pastors mit der Bitte, Frauen im Rotlicht eine Freude zu machen. Anhand einer Einkaufsliste wurden wir gebeten, Päckchen für Prostituierte zu füllen. Sie werden in der Gemeinde abgegeben und bei einer Weihnachtsfeier den Frauen überreicht. Die Mail sprach mich sofort an, da ich mich sehr gut (oft zu gut) mit den Schicksalen anderer Frauen identifizieren kann. So schrieb ich mir die Einkaufsliste ab und versuchte, alles Benötigte in unserem Stadtteil zu kaufen – was tatsächlich gelang.
Wer eine ähnliche Aktion starten möchte: Folgende Produkte werden empfohlen, damit die Pakete möglichst ähnlich sind und es keinen Neid unter den Frauen gibt:
– Ein kleines Kuscheltier (wichtigster Bestandteil des Pakets)
– Handcreme
– Lippenpflege
– roter Nagellack
– schillernder Lidschatten
– Ohrringe mit „Blingbling“
– Schokolade
– Kaugummi
– Schal oder Handschuhe

In der Drogerie fand ich tatsächlich Ohrringe mit „viel Blingbling“, sie waren aber so lang und baumelig, dass ich fürchtete, einer der Männer könnte daran reißen und die Frau verletzen. Insofern entschied ich mich für glitzernde Stecker, die mir sicherer vorkamen. An der Kasse kommentierte die Verkäuferin die Ohrringe und ich erklärte ihr, wofür ich sie besorgte.
Sie daraufhin: „Naja, aber viel Blingbling ist da ja jetzt nicht…“
Ich: „Ja, es gab auch so ganz lange Ohrhänger mit Strass. Aber stellen Sie sich vor, ein Freier zieht der Frau an den Haaren und reißt ihr den Ohrhänger raus – ich meine, die Männer können ja auch grob sein… ich will doch keine Ohrringe verschenken, die ein Verletzungsrisiko darstellen…“
Wir schauten uns beide ziemlich ratlos an und waren einstimmig der Meinung, dass wir beide nicht beurteilen können, was eine Frau im Rotlicht erlebt und was sie sich wünscht.
Passender Weise zog ich zu Hause eine Karte von der Organisation aus dem Briefkasten, die sich weltweit gegen Menschenhandel einsetzt und der ich im November Geld gespendet hatte. Vorrangig Frauen und Kinder werden von Schleppern rund um den Globus als Prostituierte eingesetzt. Auch in Deutschland. Auch in unserer Nachbarschaft, wo niemand es vermutet.
Immerhin kann ich mit dem Päckchen zumindest einer Frau eine Freude machen, hoffe ich.

feminin, glaubhaft

So viele SklavInnen wie noch nie zuvor in der Weltgeschichte

Heute erzählte eine Frau, die mit zwangsprostituierten Betroffenen arbeitet, im Gottesdienst von ihrer Arbeit. Dabei wurde als erstes deutlich, dass wir weltweit so viele SklavInnen haben wie noch nie zuvor. Als zweites rüttelte uns auf, dass die meisten Bordelle in unauffälligen Mietshäusern in „ganz normalen“ Wohngegenden überall in Deutschland angesiedelt sind. Auch rund um die Kirche, ohne dass die Bevölkerung etwas davon mitbekommt. Umso schwerer ist es, diesen Frauen zu helfen – und sei es „nur“mit einem Gespräch oder praktischer Hilfe, die noch nichts an der Zwangsprostitution selbst verändert.

Da ich selbst viel zu wenig über das Thema weiß, möchte ich heute vorrangig dazu einladen, sich mit diesem unangenehmen Thema auseinander zu setzen. In unserer Nachbarschaft gibt es nicht nur unsichtbare Sexarbeit. Ebenso werden junge Frauen als Nannys und Haushälterinnen beschäftigt, ohne Lohn, kaum Verpflegung, keiner Kontaktmöglichkeit nach außen und ohne Sprachkenntnisse. Deren Pässe behält die „Gastfamilie“ ein und nimmt ihnen jede Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Es sind eben nicht nur Menschen in Dritte-Welt-Ländern betroffen, deren Leben sich weit weg von unserem abspielt. Deutschland ist mittendrin, und wir sind mittendrin.

UN-Aktionstag über moderne Sklaverei

Sklaverei heute

Moderne Ausbeutung

Global Slavery Index

Film: Billigkraft statt Babysitter in Deutschland

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Reportage „Die Herrschaft der Männer“

Bis zum 14. 03. 2012 ist in der Mediathek von arte die Reportage „Die Herrschaft der Männer“ zu sehen. Näheres dazu ist (auf französisch) zu finden unter http://www.ladominationmasculine.net/

Dazu der Sender:
Am 6. Dezember 1989 betritt ein Mann die École Polytechnique in Montreal. Er dringt in einen Hörsaal ein, zieht eine Waffe, befiehlt den jungen Männern, den Saal zu verlassen, und kündigt an, alle anwesenden Frauen zu erschießen – im Namen seines Hasses auf die Frauen und vor allem auf die Feministinnen. Dann setzt er seine Jagd auf Frauen in den Korridoren der Hochschule fort und tötet 14 Studentinnen. Danach verübt er Selbstmord. Der von ihm hinterlassene Brief ist Zeugnis seines Hasses auf die Frauen, die den Platz der Männer in der Gesellschaft einnehmen.
Ausgehend von diesem Extremfall, untersucht der Dokumentarfilm die vielfältigen Erscheinungsformen von Frauenfeindlichkeit in der westlichen Welt. Dabei zeichnet sich ein kulturelles Kontinuum ab, das vom Bild der Frau in der Werbung bis zu körperlicher Gewalt, von der frühen Vermittlung von Geschlechterrollen durch Spielzeug bis zur Diskriminierung am Arbeitsplatz reicht. Kaum zu glauben, dass im 21. Jahrhundert Männer die Rückkehr zu den uralten Werten des Patriarchats fordern, denen zufolge Frauen an den Herd und Männer an die Macht gehören. Erstaunlich auch, dass gebildete junge Frauen einen „dominanten Partner“ suchen.
Diese Tendenzen mögen auf den ersten Blick randständig erscheinen. Doch der Dokumentarfilm belegt, dass sich hinter der Illusion von der Gleichheit der Geschlechter ein Abgrund an täglichen Ungerechtigkeiten auftut. Solange Kinder in Geschlechterstereotypen erzogen werden, setzt sich wie selbstverständlich eine frauenfeindliche Ungerechtigkeit fort. Aus dem allgemeinen Gefühl heraus, das Geschlechterproblem sei gelöst, werden die Langsamkeit der Fortschritte und die Vielzahl der Rückschläge kaum wahrgenommen.

Zitat aus der Reportage: „Hierzulande ist mit einem Blick auf die Statistik festzustellen, dass alle drei Tage eine Frau an den Schlägen ihres Mannes stirbt. Alle drei Tage. Eine Frau.“

Quelle: http://videos.arte.tv/de/videos/die_herrschaft_der_maenner-6449552.html