aufmerksam, kreativ

Die Theorie zu den „Gute-Laune-Tricks“ – warum es wichtig ist, das Spielen zu bewahren

Stehen zwei Männer im Foyer der Kirche und schauen dem Kind zu, das begeistert eine Schiebetür an einem halbhohen Schrank öffnet und schließt – im Rennen, den ganzen Schrank entlang, immer auf und zu. Sagt der Ältere von beiden:
„Noch mal Kind müsste man sein.“
Antwortet der Jüngere: „Es hält dich keiner davon ab, mit innerer Begeisterung die Schiebetür zu öffnen und zu schließen.“

„Spielräume sind Räume des Lebens. Diese Erkenntnis ist uns leider zunehmend abhanden gekommen. >Liebe und Spiel< nennt der chilenische Biologe Humberto Maturana deshalb die vergessenen Grundlagen des Mensch-seins, denen der Mensch seine Existenz verdankt. (…) Auch die fortgeschrittenste Technologie kann weder Luft noch Nahrung noch Liebe und Beziehungen ersetzen, und sie braucht Menschen, deren innere Lebendigkeit und spielerische Erfindungskraft nicht ganz eingeschlafen sind. (…) Zu viele glauben, dass das Spiel dem Ernst des Lebens nicht gewachsen ist, und übersehen, dass ohne dieses Spiel das eigene Leben nicht erfunden worden wäre. (…) Der Verlust von Spielräumen und Spielfähigkeit ist verbunden mit dem Verlust des Möglichkeitssinns. Jede Enteignung basiert darauf, dass Möglichkeiten beschnitten werden. (…)
Spiel ist keine Form bloßen Zeitvertreibs, den wir uns leisten können oder nicht. Spiel ist das Grundprinzip allen Lebens – und Spielräume sind die Räume, in die hinein Leben sich entfaltet. Spielen ist – wie im Althochdeutschen >spelan< enthalten – die suchende Bewegung durch die Welt, eine Lebensbewegung, die keinen ungebahnten Weg scheut, Umwege gerade nicht meidet und zugleich immer auf der Suche ist. Der spielerischen Qualität des Lebens haben wir eine gesellschaftliche Struktur und eine Haltung entgegengesetzt, die Spielräume gar nicht ertragen kann und diese zubaut oder mit sicheren Sitzgelegenheiten voll bestuhlt hat. (…)
Der Verlust der Spielfähigkeit und der Fähigkeit zur Entwicklung von Gegenmodellen und neuen Lebensformen hat eine körperliche, geistige und gefühlsmäßige Panzerung zur Folge: Die Menschen fühlen sich nicht nur zum Sitzen verdonnert, sondern sie sitzen auch noch gerne.“

(Anneli Keil, „Wird Zeit, dass wir leben“ Heinrich Hugendubel Verlag, München)

Ich wünsche mir für jedes Kind, mit dem ich arbeite -und spiele-, dass es das Spielen nicht verlernt, wenn es älter wird. Und für alle Erwachsenen wünsche ich mir, dass sie eine spielerische Haltung dem Alltag gegenüber wieder entdecken.

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Kindermund: Philosophie über die Dunkelheit und brummelige Wörter

Aus meinem Alltag als Logopädin

Eine Fünfjährige bemerkte während der Therapie bei einem Blick aus dem Fenster:
„Boah, ist das dunkel draußen!“
Ich: „Erstmal wird es immer dunkler, so ungefähr bis Weihnachten, und dann wird es wieder heller.“
Sie: „Das ist, weil Herbst ist.“
Ich: „Ja, da steigt die Sonne nicht so hoch wie im Sommer. Sie kommt so ein bißchen raus, und dann scheint sie kurz, und dann geht sie bald wieder unter.“
Sie: „Und in Schweden, also in Schweeeeden, da ist es jetzt… (überlegt, weiß aber nicht mehr, was sie eigentlich sagen wollte) … da ist es jetzt auch dunkel!“
Ich : „In Schweden ist es noch dunkler als bei uns. Von uns aus ist Schweden im Norden. Und im Norden ist es im Winter sehr viel dunkler. Wenn man weiter nach Norden fährt, bis zum Nordpol, da wird es immer dunkler. Im Winter gibt es dort ein paar Tage pro Jahr, wo es gar nicht hell wird. Weil die Sonne nämlich im Winter nicht im Norden ist. Dafür ist sie im Sommer ganz viel im Norden – so sehr, dass es an ein paar Nächten im Jahr gar nicht dunkel wird.“
Sie: „Ja. Aber jetzt ist es da dunkel.“
Ich: „Sehr dunkel.“
Sie, nachdenklich: „Hm hm.“
Dann plötzlich: „Ich weiß auch, warum es da so dunkel ist! Weil die Sonne nämlich woanders ist! (ruft in triumphierendem Ton) Und die ist in Chile!!!“
Ich schaue verdutzt, sie: „Das stimmt. Das weiß ich! Das sagt nämlich meine Schwester, da ist jetzt Hochsommer, in Chile, und die fährt da bald hin.“
Was manche Kinder alles schon wissen…

Außerdem erzählte ein Junge mir heute etwas von „Gummelstiefeln“ und „Strohreim“ (Strohhalm).

Angesichts der Diskussion über die Dunkelheit ist es sehr einleuchtend, dass so brummelig klingende Wörter wie „Gummelstiefel“ vorrangig im Winter gebraucht werden.

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Kindermund: Die krumme Logik der Erwachsenen

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ein Junge, 8 Jahre alt, meinte zu mir, als ich das heutige Datum in der entsprechenden Spalte im Rezept notiert hatte und die Mutter wie immer um eine Unterschrift zur Quittierung der Stunde bat:
„Warum schreibst du 12.11.’10? Das muss doch andersrum sein: 10.11.12!“

Ein Fünfjähriger baut mit mir die Brio-Bahn auf und setzt die Waggons auf die Schienen, um sie aneinander zu fügen. Nun fehlt nur noch die Lok. Er stellt sie vor die Waggons und schiebt die Waggons von hinten an die Lok – die ausweicht. Er schaut erstaunt und versucht es noch einmal. Wieder weicht die Lok aus und rollt ein Stück vor. Er, ehrfürchtig und verwundert: „Hua!“
Beim nächsten Versuch ruft er völlig verzückt: „Hua! Die Lok fährt weg! Hua! Ich bin ein Zauberer!“

 

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Kindermund: Eine Sache der Definition

Aus meinem Alltag als Logopädin

Ein Mädchen, 5 Jahre alt, erzählt von ihren Ferien: „…und dann war’n wir noch im Bille-Bad (Name des örtlichen Freizeit-Bades)…
Ich: „Bist du denn gerne im Schwimmbad?“
Sie, sehr nachdrücklich und genervt: „Das heißt nich‘ Schwimmbad, das heißt Bille-Bad!“

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Kindermund: Interessante Lebewesen

Szene aus meinem Alltag als Logopädin

Mit einem 9 jährigen Mädchen spiele ich „Personen / Dinge raten“, dazu schreiben wir den zu suchenden Begriff verdeckt auf einen kleinen Klebezettel und kleben ihn an die Stirn der anderen. Da sie sich verplappert, komme ich schnell darauf, dass ich „Meikel Jeksen“ sein soll, wie der Zettel verkündet.
Während sie rät, fragt sie mich: „Bin ich so eine Spachtel? Im Schmetterlingspark laufen die überall rum, so kleine Vögel…die könn` nich` fliegen… so Spachteln eben?!“ Sie meinte „Wachteln“.

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Kindermund: Von Pfannkuchen, verstiefelten Katern und Flugschraubern

Wie kreativ der Umgang mit Sprache ist, wird in den folgenden Zitaten von Kindern, mit denen ich als Logopädin arbeite, deutlich – viel Freude beim Lesen!

Ein Junge, 6 Jahre alt, ruft beim Anschauen eines Bilderbuchs freudig überrascht: „Der verstiefelte Kater!!!“

Mädchen, 6 Jahre alt, zeigt mir stolz ihre neue Zahnlücke und erzählt, dass ihre Mutter beim Verlieren ihres Zahns etwas nachgeholfen habe. Sie, ganz stolz und froh:
„Das tute gar nich weh!“
Etwas später: „Und ein Flugschrauber…“ (Hubschrauber)

Junge, 4 Jahre alt, zu einem Rochen: „Das ist ein Pfannkuchen…“
Außerdem ist sein Satzbau oft hinreißend: „Nein, ich kann mich nicht!“
oder auch bezüglich der Seifenblasen: „Noch mal pusten ganz doller!“

Mädchen, 7 Jahre alt, schreibt: „… Dan FraKT eR Di Schafe ob Si wisen wo deR NekSTe BauerhoF isT Dan SaKT das FeRT…“

Ich unterteile mit einem 4 jährigen Jungen Nahrungsmittel, die nacheinander aus einem Stoffbeutel gezogen werden, in Obst und Gemüse. Er holt eine Paprika aus dem Beutel und ruft, als er sie sieht: „Ein Papa!“

Mädchen, 8 Jahre alt, will mir etwas über Bauklötze bzw. Holzsteine erzählen und sagt: „Klötzsteiner“

Junge, 5 Jahre alt, zu einem Huhn: „Dumm und alt und fett.“

Am Ende der Stunde puste ich mit einem Mädchen, 5 Jahre alt, Seifenblasen aus dem Fenster über den Marktplatz. Da kommt ein gelber Hubschrauber, recht tief, in unsere Richtung geflogen.
Sie: „Wenn der Hubschrauber fliegt, rufen die Seepferdchen immer `Deutschland, Deutschland!`“
Ich verstehe nicht, was sie meint, und frage nach.
Inzwischen betritt ihre Mutter den Raum, um mit mir die Resultate der Stunde zu besprechen und erklärt: „Die Seepferdchen sind die Kinder aus der anderen Gruppe im Kindergarten.“
Das Mädchen: „Und der Hubschrauber hat so ’ne Farbe wie Deutschland!“
Trotz dieser Auflösung finde ich den Satz „Wenn der Hubschrauber fliegt, rufen die Seepferdchen immer `Deutschland, Deutschland!`“ ganz wunderbar.

Mädchen, 9 Jahre alt, als sie nach unserer letzten Stunde den Raum verlässt:
„Tschüß! Ich werd‘ Sie vermissen!“ Da bin ich doch dankbar für meinen anstrengenden, aber sinnvollen Beruf.