aufmerksam

Gehirnwäsche mit dem Goldbären

Im Supermarkt, der sich im gleichen Gebäudekomplex wie die logopädische Praxis befindet, steht seit kurzer Zeit eine kleines elektrisches Karussel.
Es dreht sich und blinkt, während es unablässig „Haribo macht Kinder froh, und Erwachsene ebenso“ spielt. Werbewirksam gibt es keinen Münzeinwurf (50 Cent pro Runde), nein:
Es gibt einen grünen Knopf sowie die Aufschrift „Freie Fahrt mit Haribo!“
Als Elternteil setzt man das Kind auf das Karussel, bringt nebenan schon mal schnell die Pfandflaschen weg und bedenkt die folgende Auswirkung gar nicht:
Dass das Kind ein sehr positives körperliches (Drehen), visuelles (Blinken) und akustisches (Lied) Erlebnis hat, während es unentwegt die Werbebotschaft hört.
Im Gehirn des Kindes wird ratz-fatz „Positives Gefühl“ und „Haribo“ miteinander verknüpft und bingo – die Gehirnwäsche sitzt.

aufmerksam

Kindermund: Eine Frage der Betonung

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ein Junge, 5 Jahre alt, bezüglich der Bildergeschichte „Kim gießt Blumen“:
„Die Blume hat Durst – sooo Durst hat die, die kriegt ein‘ Schluckauf!“

Mein Chef wedelt mit einer Akte herum, auf der ein Klebezettel mit der Aufschrift „Perfekt!“ klebt.
Er: „Marie, was heißt das hier auf deiner Akte?“
Ich: „Perfekt, warum?“
Er: „Wir haben nämlich überlegt, und ich dachte, es hieße etwas anderes…“
Ich: „Wieso, dachtest du da steht `perfekt!`? Also, dann könnte ich ja genauso gut `Marie, du bist so eine großartige Logopädin!` drauf schreiben, aber warum sollte ich das tun?“
Er: „Naja, ich dachte, vielleicht kam der Patient aus dem Urlaub zurück und hat einen großen Entwicklungsschritt gemacht und du warst begeistert…?!“
Ich: „Nee, das ist eine Erinnerung, dass ich mit dem Patienten das Perfekt übe.“

Jaja, so entstehen Gerüchte…

aufmerksam, kreativ

Kindermund: Anatomische Sonderausstattung

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Wir spielen das Spiel „Können Schweine fliegen?“, wobei es darum geht, Tiere bestimmten Eigenschaften zuzuordnen (legt Eier, gibt Milch, hat einen Schwanz/Flossen/Hufe, lebt im Wasser usw.).
Der Junge, 7 Jahre alt, Muttersprache nicht deutsch, zum Merkmal „vom Aussterben bedroht“ in sehr ernsthaftem Tonfall:
„Da sind viele verstorben.“
Und zum Merkmal „hat Fell“ ebenso sehr geschäftsmäßig und klar artikuliert:
„Das Fell ist weich.“

Heute erzählte mir die Mutter eines kleinen Jungen, dass er inzwischen komplett trocken sei.
Sie: „Und die letzten drei Nächte blieb die Windel sogar die Nacht über trocken. Da habe ich ihn drauf hingewiesen und gesagt, dass die Windel ja jetzt ganz weg bleiben kann.
Er meinte dazu: Dooooch, da war was drin, aber der Pillie hat das schnell wieder ausgetrunken!!!“

aufmerksam, feminin, glaubhaft

„Frau nackig – Mann redet“

Nein, mit dem Thema „Emanzipation“ bin ich noch lange nicht durch.
In der Juni Ausgabe 2011 der Zeitschrift PSYCHOLOGIE HEUTE liegt der Fokus auf dem Thema Typisch Frau? Typisch Mann? Es gibt mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede!

PSYCHOLOGIE HEUTE: Die Ergebnisse Ihrer Aufsatzstudie schüren Zweifel: Haben unsere ganzen Emanzipations- und Gleichstellungsbemühungen nichts genützt? Haben wir als Eltern versagt?
RENATE VALTIN: Obwohl Eltern sich bemühen, ihre Kinder nach gleichen Maßstäben zu erziehen, wirken die „heimlichen Erzieher“ mit, wie Werbung und Fernsehen. Wenn Sie sich die Bilder von Frauen und Männern in der Werbung, auf Titelseiten der Illustrierten, im Fernsehen vergegewärtigen, so verführen sie zu der Schlussfolgerung, zu der die knapp zweijährige Tochter der Autorin Marianne Grabrucker gelangt ist: „Frau nackig – Mann redet.“ Auch wenn wir noch so gute Absichten haben: Wir leben in einer männerdominierten Welt, und wir alle stellen die Geschlechterverhältnisse immer wieder neu her und reproduzieren sie im Umgang mit der materiellen Welt und in der alltäglichen Interaktion durch Stimme, Verhalten, Kleidung, Sprache.
(…)
Mädchen haben ein weniger positives Selbstbild und eine geringere psychische Stabilität: Ihre Leistungsängstlichkeit und psychosomatischen Beschwerden sind höher. Auch im Leistungsvertrauen schneiden Mädchen schlechter ab: Sie haben ein niedriges Selbstkonzept der Leistungsfähigkeit (Begabung) und eine niedrigere Erfolgszuversicht – und dies, obwohl sie in der Schule erfolgreicher sind. Es gelingt ihnen nicht, aus besseren Zensuren und Schulabschlüssen Kapital zu schlagen.

PH: In der Studie wurde auch offensichtlich, dass es für Mädchen heute wichtiger denn je ist, schön und attraktiv zu sein. Wie kann man sich das erklären?
VALTIN: Laut dem Soziologen Pierre Bourdieu „existieren Frauen zuallererst und durch die Blicke der anderen, das heißt als liebenswürdige, attraktive, verfügbare Objekte.“ Tagtäglich wird dies durch die Medien bestätigt: die sexualisierte Werbung, die Abbildung von „Vorzeigefrauen“ an der Seite ihrer deutlich älteren Partner. Frauen haben es schwer, allein durch Kompetenz zu beeindrucken. Dass zehnjährige Mädchen so stark auf Schönheit und Attraktivität fixiert sind, ist ja durchaus ein Zerrspiegel des Bildes der Frau in Medien und Werbung.

PH: Warum sind Jungs überzeugter von Ihren Fähigkeiten als Mädchen?
VALTIN: Jungen sind das bevorzugte Geschlecht, sie haben, eben weil sie männlich sind, von vornherein einen Vorsprung in ihrem Selbstwert und ihrem Leistungsvertrauen – selbst bei schlechten Schulleistungen können sie sich Frauen überlegen fühlen. Ferner gelingt es Jungen besser als Mädchen, die vielen schulischen Misserfolge von sich fernzuhalten. Sie haben weniger Leistungsängste und verarbeiten Misserfolge selbstwertdienlicher, das heißt, sie führen sie nicht auf eigenes Unvermögen zurück, wie Mädchen das tun, sondern auf mangelnde Anstrengung.
(…)

 

Renate Valtin ist emerierte Professorin für Grundschulpädagogik an der Humboldt-Universität in Berlin und war Vorsitzende der PISA-Task-Force der International Reading Association

aus: PSYCHOLOGIE HEUTE   Juni 2011   Seite 30

 

Aktueller Beweis dafür, dass bei Frauen weniger die Kompetenz als die erotische Komponente zählt:
Fünf Spielerinnen der Fußball-Nationalmannschaft ziehen sich für den Playboy aus.
Unnötig, unpassend, nicht zielführend und sich selbst respektlos gegenüber:
Das haben sie wirklich nicht nötig.

http://www.playboy.de/stars-stories/stars/fifa-frauen-wm-2011

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Kindermund: Die Zahnfee unterwegs

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ein Junge, 7 Jahre alt, wird das erste Mal Bruder (noch ist das Geschwisterchen nicht da, aber Mama ist deutlich sichtbar schwanger). Wir üben Adjektive und gehen zu den Steigerungen über.
Das erste Beispiel, „hungrig – hungriger“ klappt gut. Dann sind zwei Frauen auf der Waage abgebildet. Statt „dick – dicker“ ruft er, ohne eine Sekunde zu zögern: „Schwanger – schwangerer!“

Mit einem anderen Jungen, 5 Jahre alt, übe ich das Partizip mit Playmobil-Figuren. Er sucht sich ein kleines Feen-Mädchen aus und meint:
„Hier ist ja die Zahnfee! Die ist bei dir!?“
Später erzählt mir die Mutter, dass er die Zahnfee sehnlich erwartet, aber leider kein Zahn wackeln will.

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Kindermund: Wilde Tiere

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ich lernte neulich, dass es wilde Tiere gibt, die „Korpssion“ heißen.

Außerdem ist das Erlernen fremder Sprachen, in diesem Fall des Deutschen, wegen der „Schatz-Wörter“ so langwierig – erklärte mir die Mutter eines Mädchens.
Ich fragte nach.
„Ja, wegen der Wörter-Schatz.“
Nun ahnte ich, dass sie den „Wortschatz“ meint – zugegebenermaßen ein recht ominöses und fast poetisches Wort, man könnte es auch „Wortwissen“ oder „Begriffsmenge“ nennen.

aufmerksam, kreativ

Kindermund: Der geleckt-rische Speer

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Wir spielen mit dem Playmobil-Krieger und Jäger, der Fünfjährige:
„Und hier ist so das Feuerlager…“ (Lagerfeuer)
„Und der Speer, der hat Feuer drin, der is nämlich geleckt-risch.“
Später, nachdem er unsauber angemalt hat: „Jetzt mach ich mit Gefühl für richtich anmalen.“

Wir üben mit dem Trinkschlauch, und zwar das erste Mal mit wirklichem Erfolg.
Der Junge: „So viel habe ich schon geschafft! Das geht aber noch tiefiger, das Wasser, guck-“

 

Die interessantesten Arten, mich zu benennen (statt korrekterweise „Frau Krüerke“):
– Frau Erke
– Frau Gorke
– Frau To’erte (sagt ein Kind)
– Frau Korüjärke
– Frau Krü`ääääk
– Frau Krü´jarke
– Marie (geht gar nicht!)
– Sprecharzt
– die Dame

Wobei mir „die Dame“ mit Abstand am Besten gefällt – es ist höflich und zugleich passen viele, allesamt nette Bedeutungen 😉

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Kindermund: Bei uns im Garten…

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ich bespreche mit einer Erstklässlerin Präpositionen. Wir basteln ein Bild von einem Haus mit vielen Dingen darin, darüber, darauf, daneben, dahinter usw. In der darauf folgenden Stunde wiederholen wir und ich frage:
„Was ist hinter dem Haus?“
Sie: „Ein Vulkan!“
Ich schaue verdutzt.
Sie: „Ja, so ein Vulkan. Hm… ein Walkon.“
Da dämmert es mir…

 

Ich erkläre einer Fünfjährigen, was „Teekesselchen“ (Homonyme) sind – am Beispiel von Birne und (Glüh)birne.
Sie: „Ja, und: Schatz und Schatz!“
Sehr niedlich.

 

IMG_8035Eine Schatzinsel… ganz ohne Vulkan

 

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Kindermund: Rätsel um ein Tier

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Rate, rate, wer gemeint ist:

Manche nennen es Papogei, andere Pakagei, Gagei oder auch Popogei.
Mir kamen diese Bezeichnungen von Mädchen und Jungs zwischen 4 und 8 Jahren zu Ohren, und ich werde weiter sammeln. 😉

 

 

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Kindermund: Übergestern

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ein siebenjähriges Mädchen beschwerte sich während einer Fahrt in der S-Bahn vehement bei ihrer Mutter, dass das letzte Mal Computerspielen schon lange her sei – „Das war übergestern!“

Heute versuchte ich Lars (Name geändert), 4 Jahre alt, das Fragewort „wie“ beizubringen. „Wer“, „was“ und „wo“ klappten schon ganz gut, aber die Bedeutung von „wie“ erschloss sich ihm trotz dem Anfassen der Heizung (heiß) und des Fensters (kalt) sowie weiterer Versuche nicht.
Ich: „Wie bist du heute? Fröhlich?“ (zeigte ein betont fröhliches Gesicht). Er schüttelte den Kopf. „Bist du müde?“ (machte es wieder pantomimisch vor). Er schüttelte den Kopf. Ich, nach weiteren Versuchen etwas ratlos: „Wie bist du denn?“ Er: „Lars!!!“