Neue Patienten bedeuten für eine Therapeutin jedes Mal einen neuen Anfang – man beschnuppert sich, sammelt Fakten, versucht ein ganzheitliches Bild aus Einzelteilen zusammen zu fügen, beginnt zu arbeiten und hofft, dass bald eine tragfähige Patienten-Therapeuten-Beziehung entsteht.
So auch bei mir als Logopädin.
Manche Kinder sind zu Beginn offen und begeisterungsfähig – ein Teil davon bleibt es (ca. 40-70%), ein Teil langweilt sich nach einigen Wochen der Therapie mehr oder weniger dezent (ca. 5-30%) und ein Teil entwickelt sich im Laufe der Zeit zu hartnäckigen Fällen (ca. 5-20%).
Manche Kinder müssen wochenlang „aufgewärmt“ werden, bis sie offen mit mir sprechen und arbeiten, was auf der psychologischen Ebene so viel Konzentration erfordert, dass logopädisch wenig passiert. Dann jedoch entdecke ich immer wieder wahre Schätze.
Andere Kinder treten am Anfang wie ein Alptraum aus Erziehungsbüchern auf, sodass ich um meine Nerven bange (wie soll ich das aushalten?), aber nach einigen Stunden unter vier Augen und klaren Ansagen läuft es plötzlich doch.
Wieder andere verabschieden sich nach der zweiten Stunde mit Küsschen von mir.
Kurz: Wie sich die Zusammenarbeit entwickelt und welche Resultate im Therapieprozess möglich sind, zeigt die Zeit.
Momentan habe ich durch Zufall einen ganzen Schwung älterer Damen in Behandlung (natürlich jede einzeln), was derzeit noch ungewohnt ist.
Die Störungsbilder reichen von neurologischen, degenerativen Erkrankungen über einen Schlaganfall bis zu Stimmstörungen.
Die Damen sind teilweise energiegeladen und taff, teilweise antriebslos, selbstmitleidig und psychisch auffällig – die ganze Bandbreite also.
Die eine wünscht sich klare Instruktionen, viele Übungen und kein Gespräch, die andere scheut vor jeder Form von therapeutischer Intervention zurück und möchte nur reden (oder, wie meine Chefin sagt: „Saug! Saug! Wie ein Vampir. Die zieht deine Energie und Aufmerksamkeit, wo sie nur kann!“). Das erinnert denn mehr an eine Butterfahrt in die Praxis als an konsequente logopädische Übungen.
Alle sind sie deutlich älter als ich, sodass ich momentan sehr damit beschäftigt bin, gleichzeitig respektvoll aufzutreten und klare Grenzen zu ziehen. Mein Job ist die Anamnese (therapiebegleitend, nicht nur in der ersten Stunde), das Angebot von störungsspezifischen Aufgaben sowie die Erarbeitung von alltagsrelevanten Strategien, um der Patientin den Umgang mit der Krankheit zu erleichtern.
Mein Job ist nicht, von vorn bis hinten nett zu sein und für jedes beliebige Thema ein offenes Ohr zu haben, wie offensichtlich gerade ältere, alleinstehende, einsame Damen glauben.
Kurz: Die Arbeit als Logopädin bleibt immer spannend und herausfordernd – gut, wenn es Kollegen gibt, die den Rücken stärken und ähnliche Erfahrungen gemacht haben!