aufmerksam, feminin

Vom Traum, (k)eine Mutter zu sein: Dokumentation über das Recht, selbst zu entscheiden, was mein Lebenstraum ist

Ein schneller Tipp für alle, die Lust auf eine wirklich gute Dokumentation haben:
„Childfree: Der Traum, (k)eine Mutter zu sein“
Sachlich, sympathisch und ausgewogen erzählt – mich hat die Reportage sehr angesprochen.
Wen das Thema interessiert, hier das Projekt einer Britin, die weltweit als Fotografin unterwegs ist und Geschichten von bewusst kinderlosen Frauen erzählt:
We are childfree

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Buchempfehlung: „Regretting Motherhood: Wenn Mütter bereuen“ von Orna Donath

Ich habe keinerlei Kinderwunsch, entsprechend finden „unkonventionelle Diskussionen“ über „ungewöhnliche“ Lebensentwürfe, Familienpolitik und Geschlechterrollen bei mir meist Interesse und Wohlwollen. Natürlich gibt es auch Themen, die ich in Bezug auf Kinderwunsch und -erziehung schwierig finde. Da ich mich jenseits des „Du bist jung und gesund, gebär Kinder für Deutschlands Zukunft und um endlich deine Bestimmung als Frau zu finden“-Diktats bewege, sehe ich vieles offener als andere.
Entsprechend hat mich die Diskussion über „Regretting Motherhood“ (also Frauen, die bereuen, Kinder bekommen zu haben), überhaupt nicht schockiert: Ich finde es völlig naheliegend, dass es Mütter gibt, die nach der Geburt des ersten Kindes glücklich sind – genauso wie Mütter, die mit ihrer neuen Rolle hadern und nicht derart im veränderten Alltag aufgehen, wie es die Klischees darstellen. Würde ich schwanger werden, würde ich es jede einzelne Sekunde bereuen, sobald sich der blaue Strich auf dem Schwangerschaftstest zeigt. Da ich das hundertprozentig weiß, passe ich auf, dass es niemals dazu kommt.
Doch was, wenn Mütter dachten, sie würden sich über Nachwuchs freuen und sich dann in einer ganz anderen Wirklichkeit wiederfinden?

 

 

Haus am Deich

 

Orna Donath, eine israelische Wissenschaftlerin, hat 2008 erstmals begonnen, „dem Unausgesprochenen Raum zu geben“. Denn das etwas so Naturgegebenes wie die Mutterschaft die Frauen mit vielen Ambivalenzen und auch Ablehnung der eigenen Rolle erfüllt, durfte bis vor Kurzem einfach nicht gesagt werden. Weil es nicht gibt, was es nicht geben darf. In „Regretting Motherhood: Wenn Mütter bereuen“, dem vertiefenden Buch zur Studie, schreibt sie:

Welches Land ich auch betrachtete, das Bild blieb immer dasselbe: Frauen gebären, ziehen Kinder groß, nehmen die ungeheuren Mühen der Mutterschaft auf sich, aber dass sie diese bereuen könnten, kommt kaum jemals zur Sprache. (…)
Die durchgängige Botschaft lautet: Wenn du über 30 bist, wird dein Zeitfenster für die Gründung einer Familie allmählich kleiner. Du glaubst vielleicht immer noch, dass dich das nichts angeht, aber du täuschst dich; der Wunsch danach wird dich irgendwann überfallen, aber dann wird es zu spät sein: >Das wirst du noch bereuen!<
Wenn eine Gesellschaft die Nichtmutterschaft als einen gefährlichen und höchst bedauernswerten Zustand darstellt, kann sie damit einen Rahmen festlegen, der die Erlebniswelt von Frauen begrenzt, ohne Rücksicht darauf, dass deren subjektive Erfahrungen viel komplexer sind und weit darüber hinausgehen, als diese simple Behauptung erkennen lässt. Und während dieses Verwirrspiel aus Drohungen und Warnungen permanent gegen viele Frauen eingesetzt wird, wird die Kehrseite der Medaille verschwiegen: Die Stimmen derer, die ihre Mutterschaft im Nachhinein bereuen, bleibt ungehört, und weil sie nicht gehört werden, wird einfach angenommen, dass es sie nicht gibt.(…)
Ob der Partner manifesten, latenten oder unsichtbaren Druck ausübt, oft bleibt der traditionelle gegenderte Status quo erhalten, nach dem vor allem Männer profitieren, wenn der ursprüngliche Wunsch der Frau, nicht Mutter zu werden, unsichtbar oder ungehört bleibt und andere Familienmitglieder sich mit ihren Vorstellungen durchsetzen. Ihr Wünsche bleiben unausgesprochen oder ungehört, während der Partner zum >Familienboten< wird, der die >kanonische Geburtsbotschaft< überbringt. Hier geht es also um die direkten Machtverhältnisse in der Partnerschaft; da werden zuweilen sogar ungeborene Kinder als Machtmittel und Verhandlungsargument eingesetzt, sodass es zu Entscheidungen kommt, die die Beziehung aufrecht erhalten und die Kontinuität sichern. (…)
Dass diese Erfahrung weder gesehen noch verstanden wird, geht auf die gebetsmühlenartige Wiederholung der gesellschaftlichen Botschaft zurück: Frauen, die nicht durch das schwanger werden, was man gemeinhin unter Vergewaltigung (also körperlicher Gewaltanwendung) versteht, wurden es aus freier Entscheidung, nach ihren Wünschen und Vorstellungen. (…)
Frauen willigen gegen ihren Willen ein, wenn sie zu gegebener Zeit gezwungen sind, pragmatisch zwischen einer aus ihrer Sicht schlechten Option – schwanger werden und ein Kind bekommen – und einer noch schlechteren Option wählen müssen, nämlich Scheidung oder Obdachlosigkeit, Schmähung durch die Familie oder die Gemeinschaft oder finanzielle Abhängigkeit.“

 

dsc06534_v1

 

Mutterschaft ist keine Privatsache. Mütter stehen permanent und restlos in der Öffentlichkeit. Tagtäglich bekommen Mütter zu hören, dass sie alles, was eine Mutter braucht, von Natur aus mitbringen und somit instinktiv wissen, was zu tun ist. Doch gleichzeitig wird ihnen von der Gesellschaft genau vorgegeben, wie sie die Beziehung zu ihren Kindern zu gestalten haben, um als „gute Frau“ und „gute Mutter“ zu gelten, also als Mensch und als moralische Instanz.
Dabei schreibt das gängige Modell, das das öffentliche Bild von einer Mutter in heutigen westlichen Gesellschaften prägt, die Versorgung der Kinder fast ausschließlich der Mutter zu. Dieses vorherrschende Modell verlangt von Müttern, sich vollständig auf ihr Kind zu konzentrieren, sich emotional-kognitiv einzubringen und eine zeitaufwändige Betreuung zu leisten. Diesem Bild zufolge sind Mütter von Natur aus aufopfernd, arbeiten fortwährend an sich, um immer besser zu werden, und widmen sich mit endloser Geduld derart ergeben der Fürsorge anderer, dass sie darüber beinahe vergessen müssen, dass sie selbst auch noch eine Persönlichkeit und eigene Bedürfnisse haben. (…) Dieser Erwartung zufolge liebt die „gute Mutter“ jedes ihrer Kinder bedingungslos und ohne Einschränkung (sonst ist sie „unmoralisch“); sie ist anmutig wie eine Madonna, wenn nicht sofort nach der Geburt, dann wenigstens mit den Jahren; und wenn eine Mutter auch nicht auf Rosen gebettet ist, so ist es für sie doch Ehrensache, die Strapazen, die ihre Lage nun einmal mit sich bringt, freudig auf sich zu nehmen, schließlich handelt es sich um ein notwendiges, unvermeidliches Übel auf ihrem Lebensweg. (…)
Es zeigt sich, dass die Reglementierung von Muttergefühlen, wie sie hier deutlich wird, mit kulturellen Vorstellungen von Zeit- und Erinnerungsregelementierungen in Verbindung gebracht wird, denn Müttern wird nicht nur diktiert, wie sie fühlen sollen, sondern auch noch, woran sie sich erinnern und was sie vergessen sollen.“

 

dsc06540_v1

 

Während sich viele Mütter in der ersten Zeit nach der Geburt unterschiedlichen Herausforderungen gegenübersehen, die nach und nach weniger werden können, wenn sie die Situation zum Besseren entwickelt, beschreibt Reue eine emotionale Haltung gegenüber der Mutterschaft, die sich im Laufe der Zeit nicht ändert und auch nicht bessert. (…)
Es gibt zahlreiche Zeugnisse darüber, dass die Mutterschaft die physische und mentale Gesundheit von Freuen beeinträchtigen kann: Krankheiten, Depressionen, Erschöpfung, emotionale Krisen, körperliche Schäden und der Verlust des gesellschaftlichen Status sind nur einige Beispiele für die Erfahrungen, die Frauen sogar noch Jahre nach der Geburt ihrer Kinder machen. Doch obwohl diese Zusammenhänge schon seit geraumer Zeit bekannt sind und ständig um neue Erkenntnisse dazu erweitert werden, sind sie nicht in der Lage, die mythische Vorstellung zu untergraben, dass Mutterschaft – selbst wenn sie mit einer Krise beginnt – irgendwann unvermeidlich zur Anpassung und letztlich zu einem Happy End führen wird. (…)
Mütter bleiben zu Hause, Väter können gehen, wann immer sie wollen.
>Väter spüren die Anstrengungen, aber bei ihnen ist es noch viel akzeptierter, dass sie die Flucht antreten. Studien belegen, dass Väter nach der Geburt eines Kindes plötzlich deutlich mehr Überstunden machen und sich neue Hobbys suchen – um abends und am Wochenende möglichst wenig verfügbar zu sein. Das betrifft natürlich nicht alle. Aber sie spüren, wie anstrengend es ist, wenn da plötzlich ein Kind ist. Sie versuchen, sich selbst rauszunehmen. Das ist sozial akzeptiert. Wenn die Mutter hingegegen sagt: „Ich mache heute Yoga , morgen gehe ich mit Freundinnen etwas trinken“ – da würde sich jeder wundern, was mit der los ist.< „

 

 

dsc06527_v1

aufmerksam, feminin

Glücklich ohne eigene Kinder – für Frauen weiterhin ein Standpunkt, der mit viel Kritik bestraft wird

„Nach wie vor wird von Frauen gerade in Deutschland erwartet, sich der Mutterrolle ganz hinzugeben, ihr zumindest eine Zeit lang oberste Priorität einzuräumen und andere Ziele weit hintenan zu stellen. Mädchen und Frauen merken in unserer Gesellschaft früh, dass Kinderkriegen eine Abwägungssache ist: zwischen Autonomie einerseits und der Gefahr jahrelanger Mehrfachbelastung und Selbstaufgabe andererseits. (…)
Aber das verträgt sich natürlich nicht mit der Mär vom Mutterinstinkt, den Frauen natürlicherweise haben sollen. Und wenn sie dem nicht selbstlos nachkommen, gelten sie als selbstsüchtig, gefühlskalt und irgendwie nicht normal. Die „Natur“ scheint dabei keine Freundin der Frau zu sein, denn sie wird rhetorisch immer gegen ihr Recht auf Entscheidungsfreiheit über ihr eigenes Leben in Stellung gebracht. (…)
Vielleicht werden den freiwillig kinderlosen Frauen auch deshalb die angeblich tickenden Uhren vorgehalten: Wenn man ihnen schon keine sonstigen Anreize schaffen kann, will man ihnen nun Angst machen, dass sie aufgrund ihrer „Natur“ psychologische Schäden erleiden, wenn sie keine eigene Familie gründen wollen. Unsere Gesellschaft, so scheint es, lauert fast spöttisch auf das späte Bedauern der Kinderlosen: „Du wirst es später mal bereuen.“ Diesen Satz hören Frauen wie ich so häufig, explizit und implizit, dass es schwer ist, ihn nicht zu verinnerlichen und sich zu fragen, ob vielleicht tatsächlich etwas nicht stimmt. (…)
Männern wird zugestanden, dass sie ihrem Bedürfnis nach Selbstentfaltung in verschiedener Weise nachkommen und deshalb Kinderlosigkeit verkraften können. Die kinderlose Frau hingegen gilt als tragisch und einsam. Oder als Opfer der Emanzipation, das seine natürlichen Bedürfnisse einfach nicht mehr sehen kann.
Für kinderlose Frauen gibt es gesellschaftlich gesehen keine positiven Role-Models. Als Gegenmodell zur Mutter gibt es nur die verhärmte, gefühlskalte Karrierefrau (was natürlich lächerlich ist, schon allein wenn man bedenkt, wie wenig Frauen es immer noch in Führungspositionen gibt). Aber davon mal abgesehen: Das Bild von der spröden Frau im grauen Kostüm hinterm Schreibtisch passt weder zu mir noch zu den Frauen, die ich kenne. Für uns ist ein Leben ohne Kind so selbstverständlich, dass wir uns noch nicht einmal bewusst dagegen entschieden haben. Die Frage hat sich für mich und meine kinderlosen Freundinnen einfach nie gestellt.
Studien zeigen, dass kinderlose Paare im Durchschnitt zufriedener als Eltern sind. Sie weisen oft einen stärkeren inneren Zusammenhalt auf, da sie mehr gemeinsame außerhäusliche Aktivitäten unternehmen und der intellektuelle und emotionale Austausch größer ist. Ihre Beziehung ist oft gleichberechtigter als die von Ehepaaren, denn normalerweise ist es immer noch die Frau, die ihr Leben mehr an die neuen Herausforderungen anpassen muss. Es gibt gute Gründe, Kinder zu bekommen – es gibt allerdings auch gute Gründe dagegen.(…)
In Wahrheit lässt einem Kinderlosigkeit eher mehr Raum, sich sozial und gesellschaftspolitisch zu engagieren. Und statt sich in die Familie zurückzuziehen, schaffen viele Kinderlose heute neue Formen des solidarischen Zusammenlebens, die unsere alternde Gesellschaft dringend braucht. (…) Sie machen so auch ihre Unzufriedenheit über die herkömmlichen Familienkonzepte und Geschlechterverhältnisse nach außen deutlich, denn sie schaffen Alternativen abseits der gewohnten Kleinfamilie, die dann auch wieder das Zusammenleben mit Kindern ermöglichen – es müssen ja nicht immer zwingend die biologisch eigenen sein. (…) Denn Kinder, um die man sich im eigenen Umfeld kümmern kann, gibt es schließlich genug – und die Eltern sind oft für Unterstützung sehr dankbar.
Es gibt viele Möglichkeiten, als Frau zu leben. Je mehr Formen von Weiblichkeit sichtbar und „normal“ werden, um so mehr kann es Frauen nützen. Und zwar allen Frauen.“
Sarah Diehl

 

IMG_7680

 

Wer den Artikel, dessen Auszüge ich hier teile, gerne weiter verfolgen will und wen die Argumentationslinien über die Renten-Diskussion, das Egoismus-Klischee, den Umwelt-Aspekt des Themas und weitere Thesen interessieren:
Die Brigitte Nr. 23 vom 22.10.2014 (aus deren Dossier die Zitate stammen) ist zwar nicht mehr im Handel zu erwerben, aber in vielen Bücherhallen und Bibliotheken vorhanden.
Aktuell ist der Artikel auch online lesbar.
Das Buch von Sarah Diehl zu diesem Thema ist hier zu finden.

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Verhütung ohne Chemie

Vor zwei Jahren schrieb ich einen Artikel über die absolut sichere, gut erforschte Möglichkeit, jenseits der Gewinnoptimierung von Pharmakonzernen und GynäkologInnen eigenverantwortlich zu verhüten: „Frauengesundheit“

Nun zeigte mir mein Verlobter einen Beitrag auf Spiegel.de zum Thema „Natürlich verhüten“, der endlich einen Beitrag leistet, die Methode aus der „Nischenposition“ in die Öffentlichkeit zu rücken:
Sämtliche Verhütungsmethoden, die Geld bringen, werden allerorten vermarktet und reihenweise verschrieben (Im Zweifelsfall wird die Patientin so lange überredet, bis sie glaubt, dass es in der modernen Welt wirklich nicht ohne den Dauerkonsum der Pille geht).
Da ist die „Sensiplan“-Methode, die auf der täglichen Messung der Basaltemperatur („Aufwachtemperatur“) und dem Beobachten des Zervixschleims (wahlweise des Muttermundes) besteht, einfach nicht lukrativ: Die Frau braucht lediglich ein zuverlässiges Thermometer, ein Handbuch und ein Blatt Papier mit der nötigen Tabelle, in die eingetragen wird. Jahrzehntelang an der Universität Heidelberg entwickelt und erforscht, auf der Basis der eingesandten Daten von 40.000 Zyklusauswertungen und mit einem Pearl-Index von 0,4 (die Pille liegt bei 0,3 bis 0,9) versehen – das ist eine Methode, die mehr Aufmerksamkeit verdient.
Ich habe grundsätzlich etwas gegen marktführende Großkonzerne, gegen Lobbyisten und gegen Pharmakonzerne. Im Falle der Pille sehe ich alle Stichpunkte in Personalunion vereint – schon allein das regt meinen Widerstand an, von Nebenwirkungen und Verhütungsunfällen „trotz Pille“ ganz abgesehen.

Wer die Pille nehmen möchte, nur zu – jede Seite hat ihre Argumente und ich habe nichts gegen Frauen, die sie nehmen, sondern gegen das, was dahinter steckt.
Der Vorteil der SensiPlan-Methode ist, dass die Frau nicht in das körperliche Geschehen eingreift und durch die Beobachtung ihrer Körpersignale lernt, wie der eigene Zyklus funktioniert. Diese Erkenntnis kann einem niemand beibringen oder „verkaufen“, weil sie nur durch Erfahrungen mit dem eigenen Körper entsteht. Ich beobachte, dass die Lebensqualität deutlich steigt: Wer weiß, was wann im eigenen Körper passiert, was im Bereich des persönlichen Normalen liegt und was nicht, erlebt den Wechsel der Hormone im Laufe des Monats und des Lebens als Frau deutlich gelassener.

 

Ähnliche Artikel zu dem Thema sind hier zu finden: Die Pille für den Mann sowie Tricks gegen PMS

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Mutterschaft? Für mich keine Option

Dies ist ein pointierter, gesellschaftskritischer Beitrag zur aktuellen Diskussion bezüglich der Stichpunkte „Wie weit sind wir in der Gleichberechtigung der Geschlechter gekommen?“ sowie der Frage „Lassen sich Familie und Berufstätigkeit für Frauen befriedigend verbinden?“
Ja, dieser Artikel ist einseitig.
Ja, er ist hart.
Ja, das mute ich meinen LeserInnen zu.

Ich liebe Kinder.
In der Praxis.
Außerhalb liebe ich es, mich zu entfalten und all das zu tun, was meiner Kreativität und meiner Lebenslust entspricht.
Ich bin täglich einen Großteil des Tages Vollblut-Therapeutin und gebe mein Bestes für kleine und große Patienten – aber meine Freizeit ist für mich unantastbar und ich stehe zu meinem Motto „Double income, no kids“.
Dabei finde ich es überaus unangebracht, wenn ich für meine Aussage „Kinder kriegen kommt in meinem Lebensplan nicht vor“ schief angeschaut werde und höre:
„Aber es passt so zu dir, mit Kindern umzugehen! Die Sehnsucht nach Familie kommt sicher noch, warte mal ab.“
Besten Dank! So sehr ich Menschen liebe: Es reicht mir völlig, eine unterbezahlte Logopädin zu sein. Unbezahlt Mutter spiele ich sicher nicht.

Dazu Caitlin Moran:
Dass Männer nie gefragt werden, wann sie Kinder wollen, liegt natürlich daran, dass Männer auch mit Kind im Großen und Ganzen ihren Stiefel weiter durchziehen und durchziehen können. So tickt unsere Gesellschaft eben immer noch.
(…)
Die Wahrheit ist: Wenn Frauen darauf angesprochen werden, wann sie Kinder wollen, schwingt eine ganz andere, hinterhältigere, aber wesentlich treffendere Frage mit. Wenn Sie genau hinhören, störende Geräuschquellen beseitigen und allen Anwesenden mit dem Finger auf den Lippen bedeuten, mucksmäuschenstill zu sein – dann können Sie sie hören.
Sie lautet: „Wann werden Sie sich wegen ein paar Blagen Ihr Leben versauen?“
Wann hängen Sie ihre Karriere freiwillig für mindestens vier Jahre an den Nagel -und zwar ausgerechnet in einem Alter, in dem die eigene Attraktivität, Kreativität und Energie normalerweise Höchstwerte erreicht -, indem Sie ein Baby in die Welt setzen? Wann werden Sie all Ihre Talente und Ambitionen auf Eis legen und sich rund um die Uhr um die Bedürftigkeit eines hilflosen Neugeborenen kümmern, ganz wie es sich übrigens gehört und schön ist?
Wann beenden Sie Ihre Karriere als Schauspielerin/Musikerin/Autorin/Managerin? Wann werden die ersten Löcher in Ihrem Lebenslauf auftreten?
Wann geraten Sie erst ins Hintertreffen und dann in Vergessenheit?
DÜRFEN WIR POPCORN KAUFEN, ES UNS GEMÜTLICH MACHEN UND DABEI ZUGUCKEN?

Wenn jemand eine Frau fragt: „Wann wollen Sie Kinder haben?“, fragt er in Wirklichkeit immer: „Wann sind Sie weg vom Fenster?“

Wobei interessanterweise standardmäßigWann wollen Sie Kinder bekommen?“ gefragt wird und nicht etwa: „Wollen Sie eigentlich Kinder?“ (…)
Den Frauen, die sich gegen Kinder entscheiden, macht die Gesellschaft das Leben ziemlich schwer. Es wird nicht gern gesehen, wenn eine Frau sagt: „Ich will keine Kinder.“ oder: „Also ehrlich gesagt klingt mir das alles ein bißchen zu heftig.“
Wir werfen diesen Frauen vor, sie seien „egoistisch“. Gleichzeitig ruft das Wort „kinderlos“ negative Assoziationen hervor, die allesamt mit Mangel und Verlust zu tun haben. In unserer Vorstellung sind Nicht-Mütter wie drahtige einsame Wölfinnen – immer auf dem Streifzug und genauso unberechenbar und gefährlich wie Halbstarke. Oder Männer. Wir geben diesen Frauen das Gefühl, sie würden spätestens mit Mitte, Ende dreißig ihre eigene Lebensgeschichte mutwillig abbrechen, wenn sie „ihrer eigentlichen Bestimmung“ nicht nachkommen, sprich: sich gegen Kinder entschließen.
Männer wie Frauen hängen immer noch einem sich sehr hartnäckig haltenden Irrglauben an: dass nämlich eine Frau ohne Kind irgendwie unvollständig ist. Damit sind nicht etwa die biologischen Fakten gemeint – Fortpflanzung und Weitergabe der eigenen DNA als Daseinszweck jedes Lebewesens -, sondern dahinter steckt eine Unterstellung auf der persönlichen Ebene.
Eine hinterhältige, erniedrigende Unterstellung.
Sie besagt, dass eine Frau so lange ein Kind bleibt, bis sie selbst Kinder hat – und dass sie grundsätzlich erst dann zum Erwachsenenstatus „heranreift“, wenn sie ein junges Wesen auf die Welt gebracht hat. Dass es bestimmte Lebenslektionen gibt, die einzig und allein die Mutterschaft vermitteln kann – und dass jeder andere Versuch, zur entsprechenden Weisheit und Selbsterkenntnis zu gelangen, zwangsläufig nur ein mickriger, erbärmlicher Abklatsch ist. (…)
Das Alter hält für Frauen in der Regel weder Ruhm noch Ehre bereit – anders als Blake Carrington haben wir nichts, worauf wir uns freuen können. Unser großer Auftritt ist mit Ende der Brutpflege vorbei. Die Frauenfeindlichkeit – und Idiotie -, die hinter dem Ganzen steckt, verschlägt mir die Sprache.

Denn dieses Dekret, jede Frau müsse irgendwann zur Mutter werden, ist, bei Licht betrachtet, ziemlich absurd. Wer sich ein bißchen umschaut, der sieht sofort, dass es überall reichlich Babys gibt. Es ist wahrhaftig nicht nötig, dass wir alle welche in die Welt setzen.
Vor allem nicht in die Erste Welt. Erste-Welt-Babys verbrauchen Unmengen an Erdöl, Holz und Wasser; sie erzeugen gewaltige Müllberge und tragen mit jedem Bäuerchen zum Anstieg der Kohlendioxidbelastung bei.
(…)

Kein Mensch hat je ernsthaft behauptet, dass kinderlose Männer arm dran sind, einen integralen Teil ihres Mannseins verpassen und auf Dauer zu seelischen Krüppeln werden.
Da Vinci, van Gogh, Newton, Faraday, Platon, Thomas von Aquin, Beethoven, Händel, Kant, Hume, Jesus. Die sind offenbar alle auch ohne Kinder ganz gut klargekommen.
Jede Frau, die sich ganz bewusst, aus freien Stücken und leichten Herzens gegen Kinder entscheidet, erweist ihrem Geschlecht langfristig einen Gefallen. Wir brauchen mehr Frauen, die sich als Mensch behaupten, anstatt sich damit abzufinden, dass ihre Wertschätzung einzig und allein davon abhängt, ob sie mindestens einen neuen Menschen in die Welt setzt. Fünfzig Prozent dieser neuen Menschen sind wiederum Frauen, die sich womöglich wiederum damit abfinden, dass ihre Wertschätzung einzig und allein von der Frage abhängt, ob sie mindestens einen neuen Menschen in die Welt setzen. Undsoweiter undsoweiter undsoweiter……
Mutterschaft ist eine unglaubliche Berufung. Und trotzdem darf der Entschluss, dieser Berufung zu folgen, nicht automatisch höher bewertet werden als die Entscheidung einer Frau, auf Kinder zu verzichten und weiterhin ein selbstbestimmtes, den eigenen Neigungen und Talenten entsprechendes Leben zu führen. (…)

Für mich sind meine Kinder ein unglaublich wichtiger Teil meines Lebens. Trotzdem muss ich Ihnen eines sagen: als ich neulich in einer Ausstellung über Coco Chanel war, habe ich spontan gedacht, dass ihr Leben und Werk eine ganze Ecke beeindruckender ist als mein bisheriges. Es ist mir wichtig, das an dieser Stelle ganz offen zuzugeben.
Wenn Sie also wahnsinnig talentiert sind und überhaupt nicht der Gluckentyp – warum gehen Sie dann nicht einfach ihren Weg und genießen das Leben in vollen Zügen?
Inzwischen ist schließlich allgemein bekannt, dass sich durch aufopferungsvolle Plackerei kein Blumentopf gewinnen lässt.
Jesus führt kein Heiliges Märtyrerinnennotizbuch, in dem er jedes Mal einen Strich macht, wenn Sie einen Babyhintern abputzen.

aus: Caitlin Moran, „how to be a woman – WIE ICH LERNTE, EINE FRAU ZU SEIN“

 

Kinder sind großartig und ein Geschenk Gottes.
Wer mit Freuden freiwillig schwanger wird und Kinder bekommt: Genießt es. Mein Leben wäre ohne Kinder (d.h. die Kinder anderer Eltern) bedeutend farbloser und langweiliger.
Der Punkt ist: MEINS ist die Mutterschaft nicht.

 

Dazu passt ebenfalls dieser Artikel, den ich vor fast einem Jahr zitiert habe und bis heute sachlich und stimmig finde.