aufmerksam

Kindermund: Aufsatz über Katzen

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin:

Ein Mädchen sollte sich als Hausaufgabe überlegen, was die Katze den ganzen Tag tut und während des Erzählens auf die Artikulation des /s/ aufpassen.
Sie malte daraufhin ein Bild mit sehr lustigen Katzen und schrieb:
„Die Katze kratzt an Kratsbaum. Die Katze siet ihn dunkeln. Die Katze klettert auf dem Baum. Die Katze mag wolknoil.“

Ich erklärte einem Sechsjährigen nachdrücklich, dass jetzt aufgeräumt wird.
Er schaute mich mit blitzenden Augen und strengem Gesichtsausdruck an und rief empört:
„Ich warne dich!!!“
Amüsiert schaute ich zurück und fragte: „Was bedeutet das denn?“
Er, ganz fröhlich: „Das weiß ich auch nich!“

aufmerksam

Kindermund: Soziales Kompetenz-Training

Aus meinem Alltag als Logopädin:

Ich verlasse gerade die Praxis der Ergotherapeuten und höre am Treppenabsatz zwei ca. neunjährige Jungen streiten, einer hält einen Roller fest und gestikuliert:
„Alle anderen würden mich anflehen…!“
Der andere unterbricht ihn genervt und wendet dabei offensichtlich neues Vokabular an:
„Ey, kannst du das nich mal azepieren?!“

aufmerksam

Kindermund: Ein bleiches Toast ist das neue Trend-Accessoire

Im Rahmen meiner Tätigkeit als Logopädin therapiere ich unter anderem ein kleines verjähriges Mädchen, ich nenne sie aufgrund der Schweigepflicht hier Lilly.
Lilly kam morgens zusammen mit ihrer Mutter in die Praxis, in der kleinen Hand eine Scheibe ungeröstetes Toastbrot. Nun ja, dachte ich, vielleicht hatte sie keine Zeit zum Frühstücken… Nach der Begrüßung bat sie um einen Teller, auf den sie während der Stunde ihre Toastscheibe legen konnte.
So leistete uns das bleiche Brot Gesellschaft während der Therapie, um im Anschluss wieder mit nach Hause genommen zu werden:
Sie hatte das Toast als Begleitung mitgebracht, und nun sollte es sie wieder nach Hause geleiten. Mit dem Teller aus der Praxis-Küche, natürlich.
Das konnten wir ihr ausreden, aber wie die kleine Lilly würdevoll ihr weißes Toast in die Praxis und wieder hinaus trug, als wäre es die aktuelle Designer-Tasche der Hollywood-Stars, war einfach nur großartig.

aufmerksam

Kindermund: Feurige Hörgeräte

Aus meinem Alltag als Logopädin:

In der Therapie frage ich: „Was braucht die Ärztin?“
Das Kind antwortet: „-ein Hörgerät (Stethoskop)!“

Auf der Suche nach einem Wort erkläre ich: „Man hat eine kleine Schachtel, da holt man ein kleines Hölzchen raus und -ratsch- zieht man es über den Streifen und dann brennt es.“
Der kleine Junge sehr energisch: „Sssießgewehr!!!“

aufmerksam

Kindermund: Verbrochene Beine

Aus meinem Alltag als Logopädin:

Eine Vierjährige erzählt mir, dass ihr Kindergarten sich direkt beim Krankenhaus befände. Allerdings ginge sie nicht ins Krankenhaus, sondern nur in den Kindergarten, mit folgender Logik:
„Ins Krankenhaus muss man dann, wenn man das Bein verbrochen hat.“

aufmerksam

Kindermund: Meteorologen unter sich

Aus meinem Alltag als Logopädin:

Mir wurde von einer Vierjährigen folgende Logik zugetragen:
„Wenn die Sonne untergeht, fällt sie ins Gras.“
Und:
„Nachts gibt’s niiiie Donner. Und Blitz.“
Überhaupt haben mir schon einige Kinder erzählt, nachts würde es nie regnen. Nie.
Frei nach dem Motto:
„Nachts schlafe ich. Wenn ich schlafe, bekomme ich nichts mit. Wenn ich nicht mitbekomme, was passiert, passiert auch nichts. Die Welt hält nachts an, kurz gesagt.“

Bisher hat mir kein Kind geglaubt, dass es auch nachts regnet. Und gewittert.

aufmerksam, kreativ

Kindermund: Kuscheln unter dem Teppich

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ich frage einen kleinen Jungen, was er denn so in der Vorschule erlebt. Er benutzt statt /k/ immer /t/, was man eine „Vorverlagerung“ von Konsonanten nennt und in die Gruppe der phonetisch-phonologischen Störungen fasst.
Er antwortet auf meine Frage: „Tuscheln.“
Ich übersetze gedanklich von /t/ zu /k/: „Ihr kuschelt?“
Er: „Nee, so tuscheln, aber nich mit`n Stift…“
Ich: „Ach, ihr tuscht?!“
Er: „Jaaaa…“ und strahlt.

Mit einem Zweitklässler übe ich die Artikel. Wir unterscheiden in Frauen und Männer und üben den jeweiligen Artikel dazu (die bzw. der).
Ich: „Weißt du, wo DER Indianer wohnt? Im Tipi.“
Er schaut mich leicht verwundert an und wiederholt leise: „Im Teppich…“

 

Auch hier die herzliche Einladung, mal auf dem Teppich zu tusche(l)n…. 😉
Schloss Tremsbüttel

aufmerksam, kreativ

Kindermund: Weitblick bewiesen

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin:

In der Zweigstelle der logopädischen Praxis arbeite ich in einem Eckraum, der zwei Fenster hat – eins nach Norden und eins nach Osten. Wir sitzen am Tisch und üben.
Der achtjährige Junge schaut aus dem Nord-Fenster, das sich über dem Tisch befindet, und bemerkt: „Es regnet.“
Dann dreht er sich auf seinem Stuhl um,  schaut es aus dem Ost-Fenster und ruft entgeistert: „Es regnet in ganz Hamburg!!!“

Ein kleiner Junge im Kindergartenalter: „Es regnet. Pause. Aber morgen wird’s scheinig!“
(Verschränkung von „sonnig“ und „scheinen“)

Ein weiterer Junge, der mich schon öfter beim Desinfizieren der Hände beobachtet hat, bittet jedes Mal: „Kann ich was von der Stinkeseife haben?“
(So nenne ich den Kindern gegenüber, die Probleme mit der Artikulation und komplexen Fremdwörtern haben, das Desinfektionsmittel).

aufmerksam, glaubhaft

Kindermund: Der Tag hat mehr Stunden, als du denkst

Aus meinem Alltag als Logopädin:

Heute verabschiedete sich ein russischer Junge im Vorschulalter ganz niedlich bei mir, indem er versuchte, eine formvollendete Floskel hinzubekommen.
Er schüttelte mir nach der Stunde artig die Hand und sagte: „Ich wünsche dir noch viel Tag!“
Offensichtlich wollte er mir noch einen schönen Tag wünschen, aber da es eindeutig ein sonniger, angenehmer Tag war, zählte das nicht. Was soll man der netten Logopädin auch wünschen, wenn heute bereits ein guter Freitag ist? Ein paar Stunden mehr an diesem Tag – das wär’s!
Ein sehr guter und angemessener Abschiedsgruß war das, trotz der holperigen Formulierung hat mich der kleine Andrej (Name geändert) damit definitiv erfreut.

aufmerksam, kreativ

Kindermund: Der Umweltverschnupfer unterwegs

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin:

Ein Junge, 8 Jahre alt, erzählt mir empört vom „Umweltverschnupfer“, der seinen Müll auf die Straße wirft; was sehr, sehr verboten ist.

Eine ältere aphasische Dame aus dem Seniorenheim liest ganz eifrig ihre Hausaufgaben zum Thema Kategorisierungen/Taxonomien vor:
„Möbel: Tisch, Bett, Stuhl, Vitamine.“ (Sie las ungenau und meint die „Vitrine“)

 

Hier fehlt ebenfalls eine Vitrine, das fällt angesichts des historischen Ambientes allerdings kaum ins Gewicht 😉  (aufgenommen in Prag)