Vor Kurzem hörten wir im Gottesdienst eine Predigt zum Thema „Dankbarkeit“, die der Pastor einer benachbarten Gemeinde hielt. Aus seiner Heimat hatte er kleine, schwarze, getrocknete Bohnen mitgebracht. Er ließ sich einen Kollekten-Korb geben und leerte sie hinein, um sie dann durch die Sitzreihen gehen zu lassen. JedeR durfte sich circa zehn Exemplare heraus nehmen und in die linke Hosentasche stecken.
Bei jedem Grund zu danken, erklärte uns der Pastor, sollten wir eine Bohne aus der linken Tasche in die rechte wandern lassen. Am Abend sollte wir anhand des Inhalts der rechten Tasche nachvollziehen und erinnern, was im Laufe des Tages Positives passiert war.
So weit so gut.
Was mich besonders berührte, war, dass die Beispiele des Predigers wenig mit seinem eigenen Ego zu tun hatten. Wo ich mich über positive Dinge freue, die mir selbst passieren, nannte er ganz andere Beispiele: Dankbarkeit, jemandem geholfen zu haben. Dankbarkeit, einem Obdachlosen etwas Geld gegeben zu haben – wie schön, dass er genug hat, um etwas davon teilen zu können!
Allein die Idee, für das zu danken, was ich geteilt habe, unterschied sich sehr grundlegend von der Idee, dafür zu danken, was ich Gutes erlebt und bekommen habe.
Wieder ein Beweis dafür, wir egozentrisch wir WesteuropäerInnen sogar in unserer Dankbarkeit sind…
Schlagwort: Jesus Christus
Die richtigen Fragen stellen
Was ist meine größte Angst?
Was ist meine größte Motivation?
Was ist Wahrheit?
Wer ist Gott?
Was ist Erfolg?
Es gibt eine Handvoll Fragen, die dich an der Hand nehmen
und durch das, was du gerade erlebst, hindurch leiten.
Wenn du dir die richtigen Fragen stellst,
wird dein Leben in die richtigen Antworten hinein wachsen.
Ann Voskamp
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Einen Schritt vor und zwei zurück
Von einem Einjährigen wurde mir eine Lektion erteilt:
Während ich noch beschäftigt war, die Karre im Treppenhaus zu platzieren, fing er an, die Treppe hinauf zu krabbeln. Zu Beginn wirkte es so, als würde er sich mangels etwas Spannenderem die Zeit vertreiben. Er sortierte Knie, Füße, Hände und deren Lage zur Treppenstufe und war vorrangig mit sich selbst beschäftigt. Langsam schien das Hinaufklettern interessant zu werden: So schaffte er robbend zwei Stufen, bis er sich überlegte, dass er sich an den Streben des Geländers aufrichten könnte. Wer nicht laufen kann, schafft im Stehen keine Treppe hochzusteigen, so setzte er sich hin. Und krabbelte eine Stufe wieder hinunter. Zog sich erneut am Geländer hoch, stand wackelig, kam nicht weiter, sank auf die Knie und robbte die Stufe wieder hinauf. Sehr, sehr langsam schaffte er es in den ersten Stock, ich stand jeweils „Auffang-bereit“ hinter ihm. Kaum dass er vor der richtigen Wohnungstür ankam und ich sie weit öffnete, wackelte er auf allen Vieren über den Treppenabsatz und begann den Aufstieg zur nächsten Etage. Wieder mit vielen Fehlversuchen, sich rückwärts hinab rutschen lassen, vorwärts krabbeln, seitwärts hochziehen und doch loslassen. Mit sehr viel Geduld kam er auf dem Treppenabsatz an, wendete und nahm die nächste Etappe in Angriff. Zielstrebiger, mit ruhigen, inzwischen fast gleichmäßigen Bewegungen. So erklomm er Stockwerk um Stockwerk, bis er unter dem Dach angekommen war. Dort wollte er rückwärts die Treppe wieder hinunter rutschen, wovon ich ihn besser abhielt – abends ein Kind mit Gehirnerschütterung seinen Eltern zu übergeben ist nicht die beste Referenz. Also nahm ich ihn auf den Arm, lief durch das Treppenhaus und wollte ihn in die Wohnung bringen, als er vor der Tür darauf bestand, sich umzudrehen und direkt sämtliche Treppen wieder hinauf zu krabbeln. Leider ließ ich ihn auch beim zweiten Mal im Dachgeschoss nicht rückwärts hinab kriechen, was definitiv seine Triumph schmälerte…
Mich hat dieses Erlebnis an zwei Dinge erinnert:
Zum Einen zeigt es mir sehr deutlich mein eigenes Leben: Einen Schritt vor und zwei zurück, bis es langsam rund läuft. Aber auch dann passieren Ereignisse, die sich anfühlen können, als ob mir das Ruder wieder entgleitet und meine Zielgerade abermals aus den Augenwinkeln verschwindet (So, wie ich den Kleinen die Treppe hinunter trug, statt in rückwärts rutschen zu lassen, was seinen Erfolg erst vollständig gemacht hätte).
Egal, ob es um berufliche Ziele, das Abgewöhnen von Schwächen, das Aufbauen von Stärken oder den Alltag in der Ehe geht: Von einer glatten Aufwärtskurve wie in einem Erfolgsdiagramm bin ich weit entfernt. Eher ist mein Leben ein holpriges Zickzack, das voran geht, aber doch viel Geduld benötigt. Das nennen wir „menschlich“. Auch wenn wir uns selbst und allen Mitmenschen gern vorgaukeln, wie viel wir schaffen und wie großartig wir sind: Vieles davon ist doch meist Fassade. Hinter die selbst wir als Hauptperson nur selten schauen…
Ebenso ist es menschlich, dass wir zu Beginn oft nicht wissen, was wir wirklich wollen. So wie der Lütte am Anfang mehr damit beschäftigt war, sich neben und auf der Treppe zu bewegen, als vorwärts zu kommen, müssen wir unsere Richtung erst finden. Wenn diese bestimmt wurde, ist die Frage, wie wir den Weg gestalten: Versuchen wir es auf die perfekte Weise und brauchen dafür viel Energie – oder krabbeln wir mittelmäßig, aber dafür gleichmäßig voran? Lassen wir uns ablenken, verzetteln wir uns und rutschen plötzlich rückwärts wieder zwei Stufen hinab? Oder behalten wir das Ziel fest im Auge, auch wenn wir uns an den Kanten der Treppe unterwegs wund reiben? Erreichen wir das Ziel? Wie sieht es dann in und um uns aus? Und was folgt danach?
Zum Anderen musste ich, während ich begleitend hinter dem Kleinen herging, an Gott denken. So sieht er mich durch mein Leben krabbeln. Er sieht meine Fortschritte, meine Umwege und meine Rückschritte. Er beobachtet, wie ich an Tempo gewinne – und wie ich mich verwirren lasse und verunsichert sitzen bleibe. Wie Weisheit sich aufbaut – und manchmal mit einer dummen Fehleinschätzung wieder den Rückzug antritt. Er freut sich über meine Erfolge und weiß doch, was hinter der nächsten Ecke wartet. Er ist neben, hinter und vor mir. Ob er mich zu meinem Schutz auf den Arm nimmt und eine Abkürzung einschlägt, weiß ich nicht. Aber ich hoffe, dass Gott mich nach meinem großen Triumph davon abhält, die Blumentöpfe der Nachbarn im Dachgeschoss zu demolieren, so wie der Kleine es vorhatte, bevor ich ihn schnappte 😉 .
Hoffnung als Nahrung
Mit mutigen Frauen glauben
Wie wunderbar
Den Kurs wählen
Zu Besuch bei Gott
Der Kleinglaube und ich
Vor dem Einschlafen bete ich auswendig Dietrich Bonhoeffers Abendsegen:
„Herr, mein Gott,
ich danke dir, dass du diesen Tag zu Ende gebracht hast,
ich danke dir, dass du Leib und Seele zur Ruhe kommen lässt.
Deine Hand war über mir
und hat mich behütet und bewahrt.
Vergib allen Kleinglauben
und alles Unrecht dieses Tages
und hilf, dass ich gern denen vergebe,
die mir Unrecht getan haben.
Lass mich in Frieden
unter deinem Schutze schlafen
und bewahre mich
vor den Anfechtungen der Finsternis.
Ich befehle dir die Meinen,
ich befehle dir dieses Haus,
ich befehle dir meinen Leib und meine Seele.
Gott, dein heiliger Name sei gelobt.“
Erst vor Kurzem ging mir auf, dass ich (fast) täglich völlig unbeachtet um die Vergebung meines Kleinglaubens bitte.
Okay, abends für meinen privaten Mist um Vergebung zu bitten, scheint logisch.
Aber für meinen Kleinglauben? Erstens denke ich über den nicht nach und zweitens – ist der schlimm, der Kleinglaube?
Offensichtlich: An dieser Stelle nehme ich Dietrich Bonhoeffer, den gestandenen Theologen und Widerstandskämpfer, als Autorität und Vorbild für mich.
Seit dieser Beobachtung, die zu einem neuen Bewusstsein dem Wort und der Haltung des Kleinglaubens gegenüber führte, denke ich darüber nach.
Kleinglaube als Sünde – das ist für mich eine Ungeheuerlichkeit.
Unverschämt, fordernd, jenseits aller Bescheidenheit anmaßend sein – für mich erkenne ich darin Verhaltensweisen, die ich nicht erleben und auch nicht an mir entdecken möchte. Kleinglaube klang bis vor Kurzem eher wie eine „preußische Tugend“, die unter Sparsamkeit, Arbeitsethos, Genügsamkeit für mich lief. Und damit für „anständige“ Menschen durchaus erstrebenswert.
Nun bin ich aktuell in einer Situation, die viel Glauben und Vertrauen erfordert und wenig Handfestes bietet. Ausgerechnet jetzt stolpere ich in meinem abendlichen Geleier über die „Sünde des Kleinglaubens“. Darin entdecke ich für mich eine Botschaft Gottes, die lautet:
„Marie, du darfst mir (und dir selbst) Neues, Großes, Spannendes, Buntes, Freieres, einfach MEHR zutrauen. Nein, das hat nichts mit übergeschnappten Amerikanern und ständig zitierten `big dreams` zu tun, sondern mit dir und mit dem, woran du glauben darfst! Es geht um mein Versprechen dir gegenüber. Trau dich, ich bin auf deiner Seite.
Du und ich und eine Runde `Großglaube` – wie wär´s?“
Kannst du dir vorstellen, dass Gott so auch zu dir spricht?
Zusammen ist man weniger allein
Gott verspricht uns nicht, dass wir vom Leid verschont bleiben,
aber er verspricht uns, dass er uns hindurch begleiten wird.
Wenn das Leben ungeahnte Kapriolen schlägt, tut es gut, Menschen zu kennen, die gerade Ähnliches erleben.
Dank Delphine (Namen geändert), die mir in der Kirche als Besucherin über den Weg lief, habe ich eine Begleiterin auf dem Weg. Wir tauschen Erfahrungen aus, ermutigen einander, schicken hilfreiche Links hin und her. Parallel trainiere ich komplett kostenlos französisch (nichts anderes ist in unseren Gesprächen erlaubt) und sie genießt die Pause von der deutschen Sprache. Glücklicherweise bleibt sie geduldig, wenn ich mich völlig zwischen Wortfindung und Grammatik verheddere…
Eine perfekte Symbiose, die uns beiden zum Vorteil gereicht.
Und die Versicherung Gottes, dass er die Fäden in der Hand hält:
Auch wenn das Leben überraschende Wendungen nimmt, begleitet er uns und schickt uns passende WeggefährtInnen.
Liebe begleitet jeden Lebensschritt. Ob du läufst oder fällst. Gott ist da.
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Der Titel ist dem Roman von Anna Gavalda „Zusammen ist man weniger allein“ entnommen, der in Frankreich spielt.