Unglaublich, aber wahr:
Ab sofort brauche ich keine Gedanken mehr an den Blumenschmuck in der Kirche, den Aufbau der Bonsche-Bar, die Einweisung der Helferinnen sowie die Verteilung der Dankeschön-Geschenktüten an selbige, den bis wenige Stunden vorher unpassenden und fehlenden Schmuck sowie sonstige Punkte im Rahmen des Projekts „Kirchliche Trauung und anschließende Feier“ verschwenden.
Großartig!
Großartig, dass alles bis auf minimale Randerscheinungen geklappt hat – und wunderbar, dass der Lebensabschnitt „Braut und Hauptorganisatorin sein“ hinter mir liegt.
Ich liebe Feste, ich liebe Gäste, ich liebe es ein Konzept zu entwickeln und umzusetzen, ich liebe Blumen und Speisen und die Symbiose aus Anlass, Raum, Geladenen, Bewirtung und ästhetischem Rahmen.
Aber was genug ist, ist genug. Und ab heute ist es genug – das gesamte Hochzeits-Projekt ist abgewickelt.
Zum Auftakt die unkonventionell-intime Trauung auf dem Pellwormer Leuchtturm und als Hauptteil die persönlich-beschwingte kirchliche Trauung mit anschließendem bunt-fröhlichen Sektempfang, darauf folgend das Fest auf einer entspannt-genussvollen Fahrt mit dem Alsterdampfer zwischen majestätischen weißen Villen und verwunschenen Kanälen.
Da der geliehene Schmuck vom Goldschmied, perfekt gearbeitete Unikate von schwindelerregendem Wert, leider trotz aller Bemühungen unvollständig war (es gab herzzerreißend schöne Ohrhänger mit verschiedensten Edelsteinen, aber keine einzige dazu passende Kette, sodass ich mit einem schlechten Kompromiss nach Hause fuhr), war ich noch am Abend vor der Trauung in der Stadt gewesen. Müde von fünf Stunden floristischer und innenarchitektonischer Arbeit, mit erschöpften Beinen und schmerzendem Rücken, war ich kurz vor knapp noch in der Hamburger Innenstadt unterwegs. Mit dabei die Fotos von mir im Kleid sowie seidenen Stoffproben, Bilder von meinem Probe-Styling sowie eigenem Schmuck, um etwas Passendes zu finden.
Die Unikate vom Geldschmied, zwecks Tageslichts mal schnell in der Küche am Fenster fotografiert, um das Bild an Freundinnen zu mailen und um Rat zu fragen…
Gott hat Humor – mir blieb nichts, als darauf zu vertrauen, dass ich am Tag der Hochzeit zufrieden mit meinen Bemühungen und meinem Äußeren das Haus verlassen und ins Taxi steigen kann.
Als ich völlig übermüdet an einer roten Ampel aus dem Auto meiner Freundin hüpfte und durch die Innenstadt stolperte, ohne zu wissen, wo genau ich endlich fündig werde, ließ er die Erinnerung an den dafür perfekt geeigneten Laden aufsteigen – wie perfekt, erlebte ich erst, als ich ihn zum ersten Mal betrat, statt nur am Schaufenster zu stehen. Eine alte Dame, eine der vielen Hamburger Originale offensichtlich, nahm meine antike Strasskette, die in den Augen meiner Freundin und mir der Favorit war, in Augenschein und suchte mir passenden Ohrschmuck aus den Vitrinen. Nicht antik wie das Original, aber immerhin „ungetragen und alt“. Gerettet!
Am Tag der Trauung (gestern, ganz unprosaisch…) war ich grundentspannt.
Der Drops war gelutscht, noch ehe ich aufstand.
Alles, was ich in der Hand gehabt hatte, hatte ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht erledigt. Mir blieb nur, den längst aufgestellten Stundenplan einzuhalten und es einfach passieren zu lassen. Das Styling, das Foto-Shooting (aufgrund des sehr wechselhaften Wetters zwischen strahlender Sonne und Wolkenbrüchen kurzfristig im Studio), das „Verstecken“ und Warten im Kaminzimmer der Kirche bis zum Einmarsch in den Gottesdienstraum – der Drops war gelutscht.
Es gab nichts mehr zu tun, als den Dingen ihren Lauf zu lassen und zu versuchen, so viel wie möglich von alldem mit offenen Sinnen zu erleben. Zu singen, zu beten, zu lachen, „Ja, ich will“ zu sagen und sich einfach an allen Gästen aus den verschiedensten Zusammenhängen unser beider Leben zu erfreuen.
Unendlich dankbar bin ich für meine Kirchengemeinde, weil dank der letzten neun Jahre und all der Verbindungen dort die Trauung das reinste Heimspiel war. Ich kenne die Räume im Schlaf, den Pastor seit Jahren sowohl auf der professionellen als auch auf der persönlichen Ebene (was bei uns in der Freikirche quasi das Gleiche ist), die herzensguten Damen zum Sekt-Ausschenken und alle Gratulanten, die betonten, wie froh sie sind, uns in der Gemeinde zu haben. Kurz dachte ich daran, wie es wohl wäre, eine nicht-gläubige Braut zu sein, die die Kirche nach rein ästhetischen Gründen auswählt und mit einem Schwung voll Gäste diesen sakralen Raum benutzt wie
– wie eine Kulisse.
Wie unendlich froh bin ich, im wahrsten Sinne des Wortes „zu Hause“ heiraten zu dürfen:
Zu Hause in einem Gebäude, dass ich lange kenne, mit Menschen, die mich wertschätzen, unter den Augen eines Gottes, der im Hier wie auch im Jenseits meine Heimat ist.
Verdammt, besser kann’s doch nicht sein!
Und jetzt, wo ich dies schreibe, kommen plötzlich die Tränen, mit denen ich gestern fest rechnete und die gar nicht auftauchten. Jetzt, im Nachhinein, jenseits des Adrenalin-Pegels der letzten Wochen, kann ich es gar nicht fassen. Dass wir so ein Glück haben. Dass es unser Tag war – so schnell verflogen, dass es kaum zu glauben ist. Dass alle da waren. Dass es rund lief. Dass mein grünes Kleid nach eigenem Entwurf so hundertprozentig mir entspricht, dass ich es gestern wie eine sehr angenehme, sanft schwingende zweite Haut trug.
Und dass wir unsere Freizeit als echte Freizeit und nicht als Listen-Abarbeitungs-Zeit wieder haben. Da bin ich ja trotz aller nachträglicher Rührung hundertprozentige Realistin!