aufmerksam, feminin, glaubhaft

Jahresrückblick: Was können wir 2020 neben Enttäuschungen ernten?

Wenn nach Weihnachten der Jahreswechsel in den Blick kommt, fange ich ganz von allein an, auf das Jahr zurück zu blicken.
Sonst gibt es Urlaube, an die ich mich gern erinnere, und erfolgreiche Projekte, die ich initiiert und abgeschlossen habe.
Dieses Jahr überwogen Frust, Angst, Fragen und Enttäuschungen.
Dennoch: Die letzten zwölf Monate geben überraschend viel Grund, dankbar zu sein, aber erst auf den zweiten Blick.

Das Lied „Kopf und Herz sind wie ein Beet“ von Andreas Mallessa fragt danach, was wir in unserem Leben aussäen und was wir später ernten können. Welche Werte leben wir durch die Prioritäten, die wir setzen? Passen unsere Sehnsüchte und unsere täglichen Entscheidungen zusammen? Und was können wir am Ende von 2020 ernten?
Nur Unkraut in einem Corona-bedingten Geröllfeld oder gibt es nicht doch ein paar zarte Wiesenblumen, die trotz enttäuschender Voraussetzungen zwischen Felsen aufblühten?

Gern würde ich das Lied hier zum Mithören verlinken, leider ist es online nicht zum freien Download vorhanden. Daher verweise ich auf den Garden Song, dessen Melodie der deutschen Variante zugrunde liegt.

Inch by inch, row by row
Someone bless these seeds I sow
Someone warm them from below
‚Till the rain comes tumblin‘ down

Zentimeter um Zentimeter, Reihe für Reihe
Möge jemand diese Samen, die ich säe, segnen
Möge jemand sie von unten wärmen
Bis der Regen beginnt zu fallen

Also: Welche Unkräuter hast du aus deinem Herzen reißen können – egoistische Entscheidungen, Ungeduld, wechselhafte Launen?
Welche Samen haben angefangen zu keimen und zeigen inneres Wachstum, auch wenn sie von Blüte und Früchten noch weit entfernt sind?
Und welche Entwicklungen, in die du seit Jahren deine Zeit steckst, sind dieses Jahr trotz widriger Bedingungen fruchtbar gewesen? Wo konntest du ernten und Segen empfangen?
Was konntest du gewinnen, obwohl du selbst kaum etwas dafür getan hast – einfach, weil Gott es dir schenkte?

aufmerksam, glaubhaft

Wenn Gott wirkt, obwohl wir selbst nicht daran glaubten

Heute stellte ich eine Andacht für die SeniorInnen der Residenz zusammen, die sie im Umschlag an der Rezeption abholen können.
Da wir laut Hamburger Verfügung überhaupt keine Gruppen mehr anbieten dürfen, ist es die einzige Möglichkeit, ermutigende Gedanken zu teilen. Zum Schutz der Gesundheit unserer Appartement-Bewohner ist das Verbot sämtlicher Treffen natürlich sinnvoll, aber ausgerechnet im Dezember präventiv das gesellschaftliche Leben lahmzulegen, fühlt sich für viele alte Menschen sehr schmerzhaft an.
Also suchte ich schöne Kirchenlieder von „Wie soll ich dich empfangen“ über „Die Nacht ist vorgedrungen“ bis „Tochter Zion“ zusammen, kürzte zwei Psalmen auf ein gut lesbares Maß, fand eine anrührende Geschichte und gab Anregungen zum Nachdenken und Aktiv-werden.
Die daraus entstandene Andacht können sich die SeniorInnen von der Rezeption mitnehmen und selbstständig in der Wohnung durchführen.
Ich hatte noch überlegt, an das Ende der Andacht meine Durchwahl (die sowieso allen bekannt ist) zu schreiben, mit dem Angebot, dass ich gern für eine knackige Viertelstunde gemeinsames Gebet vorbei komme. Angesichts der Befürchtung, dass ich erstens zeitlich überhaupt keinen Spielraum für ein derartiges Angebot habe und zweitens vor lauter Beten meine regulären Aufgaben liegen blieben, weil absolut alle einen Einzelbesuch wünschen (völlig egal, ob ich dann bete, Kopfstand mache oder Kartoffeln schäle), ließ ich es bleiben.
Keine Ahnung, ob Gott sich gewünscht hätte, dass ich’s einfach riskiert hätte. Wahrscheinlich.
Wobei meine Kolleginnen auch sehr kariert gucken würden, wenn ich sämtliche Pflichtaufgaben ablehnen würde mit der Begründung „Ich gehe jetzt zu Frau Fredwurst zum Beten und dann zu Frau Larsson und dann zu Herrn Montag und dann zu Frau Balligsen, macht ihr mal solange meinen Job.“

Das Krasse ist, dass ich coronabedingt erstens überhaupt Andachten gestalte und dass zweitens der Bedarf daran so groß ist.
Noch viel mehr, dass ich befürchten muss, mit Anrufen überrannt zu werden, wenn ich anbieten würde, zum Gebet zu Besuch zu kommen. Letztes Jahr um diese Zeit hätte mich wahrscheinlich absolut niemand deshalb kontaktiert und ich hätte eine Menge scheeler Blicke geerntet.
Als ich mich vor geraumer Zeit auf Arbeit überhaupt nicht wohlfühlte, ließ ich nach dem Gottesdienst beim Gebets-Team für mich beten:
Je zwei Teams von zwei Leuten stehen vorn neben der Bühne und beten für alle, die zu ihnen kommen (zumindest vor Corona…). Das ist immer eine ziemliche Wundertüte, weil ich nie sicher weiß, ob in der Kürze meiner Darstellung klar wird, was mein Gebetsanliegen ist und vor allem, was die beiden GesprächspartnerInnen im Gebet daraus machen.
In diesem Fall betete eine der beiden voller Inbrunst, dass Gott die Senioren-Residenz mit dem Heiligen Geist erfüllt und sämtliche alten Menschen *puff!* zum Glauben finden.
Das fand ich eine reichlich utopische und ganz und gar nicht hilfreiche Idee, aber ich dankte natürlich trotzdem artig für das Gebet und die darin ausgedrückte Hoffnung.
Keine Ahnung, wie viel Zeit seitdem vergangen ist, aber Fakt ist, dass in den letzten Monaten der Dienst der besuchenden Pastorin heftig vermisst wurde.
Wobei die Seniorinnen mit meiner unverfrorenen freikirchlichen Art im Gottesdienst auch sehr zufrieden sind und weit über sich hinaus wachsen: Sie begeistern sich für Körpergebete, rotten sich in Gebetsgemeinschaften zusammen, tun plötzlich aktiv und weinend Buße, genießen das Abendmahl wie einen Lottogewinn.
Und rennen mir generell die Bude ein, wenn ich eine Andacht anbiete.
Da denke ich reuevoll daran zurück, wie sehr ich innerlich die Augen verdrehte, als vor ein paar Jahren die Frau aus dem Gebetsteam darum bat, dass Gott spürbar die Residenz verwandelt und die alten Menschen Sehnsucht nach einer lebendigen Beziehung zu Gott haben.
Hab ich selbst niemals drauf hoffen können – 300 BewohnerInnen sind eine Masse, die nur schwer in Bewegung kommt.
Und doch, und doch:
„Und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
Wir alle aber stehen mit unverhülltem Gesicht vor Gott und spiegeln seine Herrlichkeit wider.
Der Herr verändert uns durch seinen Geist, damit wir ihm immer ähnlicher werden und immer mehr Anteil an seiner Herrlichkeit bekommen.“

Die Bibel, 2. Brief an die Korinther Kapitel 3, die Verse 17 und 18

aufmerksam, glaubhaft, Presse

Mein Gebet „Halte inne, meine Seele“ in der Zeitschrift „Lydia“

Lang erwartet bekam ich heute die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Lydia“ per Post.
Darin, direkt hinter dem Leitartikel: Mein Gebet „Halte inne, meine Seele“, ganzseitig mit einem stimmungsvollen Bild.

Halte inne, meine Seele,
der Boden, auf dem du stehst, ist heilig.
Gott ist hier – unsichtbar und unhörbar,
aber umso mächtiger.
Er umgibt dich.

Halte an, meine Seele,
wo eilst du hin?
Alles, was du brauchst, ist hier.
Du stehst auf heiligem Boden,
Gott wartet direkt neben dir.
Wohin rennst du?

Halte durch, meine Seele,
Gott sorgt im Hintergrund für Veränderungen.
Er hat alles in der Hand, auch wenn dir
noch der Durchblick fehlt.
Du stehst auf heiligem Boden, egal,
wie die scheinbare Realität aussehen mag.

Halte inne, meine Seele.
Halte an, hier in seiner Gegenwart.
Halte durch, denn er trägt dich ans Ziel.

Amen

aufmerksam, glaubhaft

Andacht feiern mit Senioren: Lektionen, die ich heute lernte

Seit Corona finden in der Residenz keine Andachten mehr statt (genauere Angaben zu den internen Hygiene- und Alltagsregeln werde ich hier nicht treffen). Viele SeniorInnen sind weiterhin selbstständig in der Stadt unterwegs, manche besuchen auch Gottesdienste. Obwohl die meisten körperlich fit sind, bleiben sie angesichts der Lage lieber im Appartement und schauen den Gottesdienst im Fernsehen an.
Entsprechend groß ist die Freude, dass ich jetzt eine Andacht pro Monat anbiete – in zwei Durchgängen im kleinen Kreis können nur wenige teilnehmen, aber besser als nichts.
Der Gottesdienst neulich war ein echtes Highlight, über das ich hier geschrieben habe.
Heute möchte ich die Lektionen teilen, die ich in unserem Erntedank-Gottesdienst lernte. Vielleicht helfen sie anderen, die auf eigene Faust Andachten durchführen?

Der ideale Anfang: Ein spontanes Gebet, das mir direkt aus dem Herzen kommt
Die Andachten gestalte ich relativ liturgisch, das heißt durchstrukturiert mit Liedern, Gebeten, Austausch, Abendmahl usw. In meiner Gemeinde feiern wir sehr modern und frei Gottesdienst, aber den Senioren zuliebe führe ich zielgerichtet durch ein klar erkennbares Programm.
Weil es eben nicht ein völlig blutleerer Ablauf scheinbar religiöser Rituale sein soll, sondern ein Raum, um Gott zu begegnen, starte ich mit einem spontanen Gebet.
Kein Text, kein schwülstiges Gelaber, kein Kirchendeutsch, sondern einfach „Marie-völlig-unzensiert-wie-sie-mit-Gott-redet“. Dabei stehe ich vorn, schließe die Augen (um mich voll auf Gott zu konzentrieren) und halte die Hände, wie es gerade kommt. Kein Getue, bitte.

Ganz ehrlich: Ein glaubwürdiges Gebet als Anfang ist bereits 50% des Erfolgs. Wenn ich hier authentisch starte, öffne ich den Raum für eine intensive Gemeinschaft. Wenn ich dagegen einen fertigen Text ablese, lassen sich die SeniorInnen einfach nur berieseln, statt innerlich beteiligt zu sein.

Entspannt bleiben, wenn es anders läuft, als geplant
Als alter Hase im freikirchlichen Bereich weiß ich natürlich, wie der ideale Erntedank-Gottesdienst abläuft (Scherz!):
Alle überlegen vorher, wofür sie dankbar sind, und bringen ein symbolisches Beispiel für ihren Dank mit. Dann marschieren alle in einer nicht enden wollenden Kette nacheinander auf die Bühne bzw. zum Altar, um dort am Mikro zu erzählen und zu zeigen, wofür sie Gott danken. Das ist für mich Erntedank: Zu hören, wie Gott im Leben der anderen wirkt und was sich die letzten Monate zum Positiven verändert hat!
In einem klassischen evangelischen oder katholischen Gottesdienst passiert das natürlich nicht, und wenn überhaupt, dann nur inszeniert und zensiert und vorher abgesprochen.
Tja, ich bin keine offizielle Pastorin, also brauche ich mich nicht an die Regeln halten und rocke einfach mein eigenes Ding. Entsprechend informierte ich die SeniorInnen über Aushänge, dass sie sich vorher Gedanken machen sollen und gern ein Symbol mitbringen können.
Nun ja.
Erstens sind die SeniorInnen hochbetagt, sie machen nicht jeden Quatsch mit.
Zweitens sind sie HamburgerInnen, die überlegen es sich doppelt, bevor sie den Mund aufmachen und etwas Persönliches erzählen.
Drittens sind sie aus keiner Freikirche, also erwarten sie, dass ich vorne stehe und predige, nicht dass sie mit ihren Erlebnissen für die Aussage von Erntedank zuständig sind.

Es kam, wie es kommen musste:
Die Dankbarkeits-Runde erwies sich in Andacht 1 wie Andacht 2 als eher schleppend. Aber es gab Fotos von verstorbenen Ehemännern, Kuscheltiere, Engel, mitgebrachte Brötchen und Gläser mit sauren Gurken. Auch, wenn kaum jemand den eigenen Gegenstand vorn auf dem improvisierten Erntedank-Tisch sehen wollte und ich manche Geschichte erst im Nachhinein hörte, als die anderen gegangen waren. Dennoch konnten sie sich mit den Geschichten der Mutigen, die sich zu Wort meldeten, identifizieren.
Und für’s nächste Mal wissen sie hoffentlich, dass es nicht wehtut, wenn Marie „zu seltsamen Einfällen“ auffordert.

Das Singen von alten Chorälen macht den Senioren wirklich sooooooo viel Freude
Seit ich in einer mega hippen Großstadt-Gemeinde zu Hause bin und nach über zwölf Jahren nicht mehr zu einer hanseatischen Traditionskirche gehöre, singe sogar ich gerne mal einen alten Choral. Früher fand ich die Uralt-Kirchenlieder oft abturnend, heute kann ich sie zwischen all dem lauten Schlagzeug wieder schätzen.
Die SeniorInnen, die seit März keine Andacht mehr hatten, genießen es unwahrscheinlich, wenigstens im kleinsten Kreis zusammen singen zu können. Klar singen die Leute im Fernsehen im Gottesdienst auch. Aber es ist einfach etwas anderes, zusammen zu singen. Egal, ob ich einzelne schiefe Stimmen sehr klar heraus höre: A capella (also ohne Begleitung durch ein Instrument) einfach unsere Stimmen zu einem Gesang verschmelzen zu lassen, hat eine ganz besondere Kraft.

Natürlich freuen sich alle, wenn sie das Lied kennen, wobei ich dafür einen Trick anwende:
Ich blättere durch das evangelische Gesangbuch und wähle Lieder aus, die ich einerseits kenne und die andererseits thematisch gut passen. Dann suche ich mir ein Opfer unter den Seniorinnen aus und rufe an: „Frau Malligsen, haben Sie mal fünf Minuten Zeit für mich? Ich suche die Lieder für die Andacht zusammen und will nur wissen, ob sie auch bekannt sind.“ Dann singe ich der Dame einfach formlos einen Liedanfang nach dem anderen vor, und sie braucht nur „Kenn ich“ oder „Kenn ich nicht“ sagen. Schon habe ich meine Liedauswahl abgesichert und sie fühlt sich hilfreich – zwei Leute in fünf Minuten am Telefon glücklich gemacht. Was will ich mehr?

Abendmahl feiern ist viel wichtiger als gedacht
Für mich war das Abendmahl, das wir in meiner Gemeinde „nur“ ein Mal im Monat feiern, lange Zeit nicht besonders bedeutungsvoll. Eher langweilig und nichtssagend. Es hat viele Jahre gebraucht, bis ich es genießen konnte.
Im Gottesdienst neulich in der Residenz habe ich bereits erlebt, wie unfassbar wichtig es den SeniorInnen ist, miteinander Abendmahl zu feiern. Selbst, wenn sie alle auf Abstand an einzelnen Tischen sitzen. Selbst, wenn das Abendmahl (bestehend aus Kürbisbrötchen und Traubensaft) bereits relativ formlos vorbereitet am Platz wartet, statt gemeinschaftlich verteilt zu werden. Egal. Abendmahl ist Abendmahl, das hat für alle eine große Bedeutung.
Auch, dass ich die klassischen „Einsetzungsworte“ vorlese, hat einen hohen Wert. Manche sprechen sie leise mit, und für alle ist eindeutig wichtig, dass das Abendmahl auf eine würdige und klassische Weise abläuft. Bereits vergangenen Monat rollten dabei Tränen.

Heute dachte ich spontan, dass es doch eigentlich schön wäre, vor dem Abendmahl eine Gebetsgemeinschaft zu haben: Darin können sich alle mit eigenen Anliegen beteiligen.
Ich regte an, dass wir sowohl für uns und die Welt bitten können, als auch innerlich im Schweigen den Teil der „Buße“ vor dem Abendmahl vollziehen können. Liturgische Buße in einem katholischen Gottesdienst bringt mich kurz davor, mich im wahrsten Sinne des Wortes übergeben zu müssen. Insofern bin ich heilfroh, in einer Freikirche nicht derart vergewaltigt zu werden, indem ich die Worte irgendeines Priesters zum Thema „Buße“ mitsprechen soll. Aber plötzlich hatte ich den Eindruck, dass es gut wäre, die Anwesenden anzuregen, einfach still mit Gott Frieden zu machen.
Dazu ging ich natürlich mit gutem Beispiel voran und betete spontan erst um Weisheit für PolitikerInnen in der aktuellen Situation usw. usf. und schwenkte dann um auf „Und du weißt auch, Gott, wo mir manchmal die Weisheit fehlt. Wo ich mich blöd verhalte und andere verletzte. Wo ich anderen etwas schuldig bleibe…“
Daraufhin schloss eine Dame tränenüberströmt ihr eigenes Gebet an. Und eine weitere Dame fand sich ebenfalls in dem „Buß-Gedanken“ sehr wohl und betete laut.

Tja.
Hätte ich nie geahnt, dass Menschen erstens freiwillig und zweitens laut vor allen anderen sagen, dass ihr Verhalten im Alltag nicht hundertpro super ist.
Und dass sie es genießen, dass dafür Raum ist.
Ich fühle mich bei Bußgebeten irgendwelcher Priester immer vergewaltigt – wie gut, dass ich in diesem Moment auf Gott hörte und der Gruppe das gab, was sie brauchte. Und wenn das nun ausgerechnet völlig unsexy Buße ist – bitteschön.
Alle bekommen, was sie brauchen.

Die Gemeinschaft im Gottesdienst lässt alle erkennen, dass sie Kinder Gottes sind. Zusammen.
Den Senioren war es dieses Mal noch wichtiger als letzten Monat, mir mitzuteilen, wie sehr sie meine Gestaltung der Andacht genießen. Da ich komplett unzensiert und spontan laut bete, erleben mich die BewohnerInnen aus einem ganz anderen Blickwinkel als sonst. Noch persönlicher, noch verletzlicher, noch ehrlicher. Das führt unter einander zu einer großen Offenheit und einem Gemeinschaftsgefühl, das ohne meinen Mut zu Authentizität nicht möglich wäre.
Natürlich entfaltet es auch eine Wirkung, wenn ich sage „Wir alle sind Gottes geliebte Kinder, seine Königskinder. Auch, wenn uns das im Alltag nicht bewusst ist. Und wir uns mit unserem Glauben manchmal verloren und ratlos fühlen: Niemand kann es uns nehmen, Königskinder zu sein und zu einander und zu Gott zu gehören.“


Jedenfalls wurde ich sooooo sehr für meine Offenheit beschenkt, wie noch nie zuvor:
Die SeniorInnen dankten mir sehr ausführlich für meinen Mut, meine Ehrlichkeit, mein Feingefühl. Mehrfach wurde betont, wie „würdig“ ich den Gottesdienst gestaltet hätte – wahrscheinlich, weil ich sonst als leibhaftige Gute-Laune-Frau durch die Gänge sause und mich wirklich absolut niemand für würdevoll hält.
Am Ende teilte ich allen noch einen handgeschriebenen (und vervielfältigten) Brief von Gott an jede Einzelne aus. Tags darauf kam eine Dame auf mich zu und sagte, wie erstaunt sie gewesen sei, als der angekündigte Brief wirklich handschriftlich war. Und wie sehr sie die Botschaft berührt hätte.
Sogar eine Kollegin, die nichts mit dem Glauben zu tun hat, meinte, dass „den Senioren derzeit eigentlich zwei Mal Andacht pro Monat gut täte“.

Wie eine Freundin die Tage so schön sagte: „Gott lässt sich nichts schenken. Er zahlt es uns hundertfach zurück.“
Amen dazu.

aufmerksam, glaubhaft

Ein Lied geht um die Welt: Gott loben trotz Corona

Als wir in unserer Kleingruppe das erste Mal The Blessing gemeinsam gehört haben, hatten wir alle feuchte Augen: Menschen aus ganz verschiedenen Kirchen in Groß Britannien haben zu Hause den Segen gesungen, und aus allen Stimmen zusammen wurde ein riesiger Chor.
Wir sind alle Gottes Kinder.
Gotteskinder, Königskinder.
Auch, wenn es uns im Alltag selten bewusst ist und wir uns weder selbst als Königskinder erleben, noch unsere Mitmenschen als Gotteskinder sehen: Wir sind es.
Das Wunderbare am Glauben ist, dass wir alle miteinander verbunden sind: Über Grenzen von Geschlecht, Sprache, Kultur und Wohnort hinweg sind alle, die eine Beziehung zu Gott haben, weltweit miteinander verbunden.
Mag sein, dass du diesen Gedanken völlig trivial findest.
Wenn ich mir vor Augen halte, dass unsere Zugehörigkeit zu Gottes Familie größer ist als alles, was uns trennt, finde ich das überwältigend.

Der Text des Lieds stammt aus der Bibel im Alten Testament, dem vierten Buch Mose, Kapitel 6, die Verse 24 bis 26. Anschließend folgen Verse aus dem Psalm 139.

Der HERR segne dich und behüte dich!
Der HERR blicke dich freundlich an und sei dir gnädig!
Der HERR wende sich dir in Liebe zu und gebe dir Frieden!

Seine Gnade sei immer mit dir
und über tausend Generationen
mit deiner Familie und mit deinen Kindern.

Seine Gegenwart sei mit dir,
er gehe vor dir und hinter dir und neben dir,
er umgebe dich von allen Seiten
und erfülle dich im Innersten.
Er ist immer bei dir, er ist bei dir.

Er ist bei dir am Morgen und am Abend,
wenn du kommst und wenn du gehst,
wenn du weinst und dich freust,
er ist an deiner Seite, er ist immer für dich.

Wer mit anderen Menschen rund um den Globus Gottes gute Wünsche heute praktisch erleben möchte, kann sich in einen der virtuellen Chöre einschalten: Überall singen Menschen zu Hause und vereinen ihre einzelnen Stimmen zu einer kraftvollen Botschaft.
Neuseeland (der Hammer!), Australien (mit Didgeridoo), aus dem Ursprungsland Israel in hebräiisch, aus Indien in allen Landessprachen, aus der arabischen Welt, aus Lateinamerika, aus Malaysia, aus China, aus Italien, aus Frankreich, aus Schweden, aus Japan, aus Usbekistan, aus Nigeria, aus Zimbabwe, aus hunderten anderer afrikanischen Staaten…

Und von Kindern für Kinder.
Und als Tanz.
Und in Gebärdensprache.
Und a capella von sehr, sehr fröhlichen AfrikanerInnen aus Uganda.

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Erntedank: Wir feiern heute auch Unfertiges

Heute feiern wir Erntedank. Als postmoderne Menschen denken wir dabei weniger an Landwirtschaft und Ernte, sondern mehr an eigene Erfolge und glückliche Momente in diesem Jahr. Ich lade dich ein, Rückschau zu halten und zu sammeln, wofür wir dankbar sind:

Bewahrung und Gesundheit:
Wurden wir und unsere Familie bisher vor Corona bewahrt? Wenn nicht: Wer hat uns während der Krankheitszeit unterstützt?
Sind wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Auto immer sicher angekommen?
Haben wir trotz der Pandemie keine gravierenden Veränderungen in unserem Leben vornehmen müssen? Wenn doch: Wie hat uns Gott Stärke und Mut gegeben?

Freundschaften:
Haben wir trotz der Verhaltensregeln auf Distanz unsere Freundschaften pflegen können?
Gab es in Tiefpunkten verlässliche Menschen, die uns unterstützen?
Haben uns FreundInnen ermutigt und konnten wir Hoffnung weitergeben?

Entwicklungen und Erfolge:
Sind Projekte positiv verlaufen, sodass wir Meilensteine erreicht haben?
Können wir auch mit dem Unfertigen zufrieden sein?
Sind wir in der Lage, auch Anfänge wertzuschätzen, ohne bewerten zu müssen, ob sich eines Tages Erfolg zeigt?
Gibt es Entwicklungen, die unsichtbar in uns selbst entstanden sind und unser Inneres verändert haben – für andere unerkannt, aber für uns selbst wertvoll und bahnbrechend?

Gottesbeziehung:
Was haben wir bis heute in diesem Jahr Neues über Gott gelernt?
Wo hat Gott uns durchgetragen?
Wann fühlten wir uns angerührt, innerlich verwandelt, durch Gottes Geist erneuert und erfrischt?
In welchem Prozess des Glaubens und Vertrauens stehen wir noch? Können wir dankbar sein für den Ort, an dem wir uns mitten auf dem lebenslangen Weg zu Gott hin befinden?

Wie möchtest du deinem Dank Ausdruck verleihen?
Wie danken wir Gott?
Und wie unseren Mitmenschen?
Nimm dir heute Zeit, mindestens einer Person bewusst „Danke!“ zu sagen.

aufmerksam, glaubhaft, kreativ

Gottesdienst am Arbeitsplatz feiern: Eine lohnende Herausforderung

In meiner Arbeitsplatzbeschreibung steht definitiv nicht, dass ich mit den SeniorInnen der Residenz Gottesdienst feiere. Erstens ist es nicht mein Job, zweitens bin ich keine Pastorin, und drittens sind wir kein christliches Haus. Da durch Corona seit einem halben Jahr die Pastorin nicht mehr zu Besuch kommt, um Gottesdienste anzubieten, entschloss ich: Das geht so nicht weiter. Zu besonderen Anlässen habe ich schon Andachten gestaltet, die den SeniorInnen gut gefielen, also setzte ich einfach einen Termin fest und hoffte, dass mir zum Inhalt noch rechtzeitig etwas einfallen würde.
Für alle, die gern in einem offenen Rahmen am Arbeitsplatz Gott anbeten wollen, aber selbst nicht wissen, wie – hier teile ich meine Fragen und Lösungen.

Ein Thema finden:
Jenseits der klassischen Feste im Kirchenjahr ein Thema zu finden, kann anstrengend werden: Das Motto soll nicht völlig nebulös und langweilig sein, aber auch nicht so speziell, dass es Einzelne abschreckt. Überhaupt: Einen roten Faden entwickeln, der einerseits neugierig macht und den wir andererseits sinnvoll inhaltlich füllen können, ist manchmal eine echte Herausforderung. Da ich lange grübelte, wie ich die Anwesenden aus unterschiedlichen religiösen Hintergründen gleichermaßen angemessen ansprechen kann und die Vorbereitungszeit immer knapper wurde, entschloss ich mich schließlich zur Kapitulation.
Ich betete: „Jesus, du weißt, dass ich einfach einen Termin für einen Gottesdienst festgesetzt habe. Du weißt, dass den SeniorInnen die Andachten fehlen. Du weißt auch, dass ich gerade überhaupt keinen Plan zum Inhalt habe, aber den Damen und Herren eine intensive Zeit in deiner Gegenwart schenken möchte. Nur: Das ist dein Job, nicht meiner. Erstens fällt mir echt kein schwungvolles Thema ein, das ganz unterschiedliche Menschen anspricht, und zweitens kann ich nichts dafür tun, dass diese Stunde eine kraftvolle Erfahrung für alle wird. Ich brauche dich jetzt wirklich dringend. Bitte schenke du mir eine Inspiration und die passenden Ideen, sie praktisch umzusetzen. Du weißt sowieso viel besser, was die BesucherInnen brauchen, als ich es in der Vorbereitung erahnen kann. Bitte schenke mir genau das, was jetzt an Ermutigung und Input dran ist.“
Tja, und schon hatte ich mein Motto: „Durchhalten“ nannte Gott mir als wichtigste Parole in der andauernden Corona-Zeit. Und die passenden Texte, Lieder, spirituellen Übungen und Fragen zum Austausch kamen dann fast von allein.

Mut zur Lücke:
Zum Thema „Durchhalten“ packte ich einen kleinen Pappkoffer mit lauter Dingen und Anregungen, um die nächste Etappe mit Corona zu überstehen. Nachdem ich mir als Auftakt diverse Vorschläge hatte nennen lassen, was die SeniorInnen meinten, was in den Koffer gehörte, zog ich einen Gegenstand nach dem anderen heraus und baute so meinen Gottesdienst auf. Vorher war ich unzufrieden gewesen, weil ich dank des Koffers zwar eine Verbindung zwischen den einzelnen Elementen hatte, aber so richtig rund wirkte der Gottesdienst nicht.
Durch diverse andere Aufgaben musste ich am entscheidenden Tag von jetzt auf gleich in die Andacht starten, ohne mich vorher einmal innerlich sammeln zu können. Ich war darauf angewiesen, dass mir in der Moderation die passenden Übergänge einfielen, damit während des Geschehens dann hoffentlich ein rundes Ganzes aus den einzelnen Puzzleteilen würde.
Und es wurde! Wenn wir unsere Komfortzone verlassen, wenn wir Gott in unserem Arbeitsalltag Raum geben, wenn wir als ChristInnen sichtbar werden, wenn wir dabei ziemlich Schiss haben: Gott kennt uns durch und durch und wird uns in dieser Herausforderung segnen. Er liebt es, wenn wir Schritte des Vertrauens auf ihn zu wagen, auch wenn wir Angst haben, unterwegs abzustürzen. Er wird uns niemals ins Leere fallen lassen, denn schließlich tun wir nichts anderes, als unseren Glauben sichtbar zu leben und andere dazu einzuladen. Genau das wünscht sich Jesus von uns, selbstverständlich stärkt er uns den Rücken dabei!
Insofern: Mut zur Lücke und auf Gott vertrauen, er gibt uns im richtigen Moment genau die passenden Worte. Das habe ich in den letzten Wochen überwältigend oft erlebt, sobald ich außerhalb meiner Routine unterwegs war. So auch in diesem Gottesdienst.

Authentisch sein:
Vor lauter Stress an diesem Tag hatte ich vor Beginn der Andacht keine Zeit, Gott um seinen Segen und Gelingen für den Gottesdienst zu bitten. Ich rauschte direkt in den Raum, baute schnellstmöglich auf, maß allen die Temperatur, sorgte für sonstige Corona-Maßnahmen und begann übergangslos das Programm. Erst, als wir das erste Lied sangen, fiel mir auf, dass ich durch meine Hetze sogar ein einleitendes Gebet mit den SeniorInnen vergessen hatte. Und da ich kein Gebet vorbereitet hatte, musste ich genauso beten, wie ich persönlich allein oder mit Glaubens-FreundInnen bete:
Echt, ehrlich, aus dem Moment heraus und extrem persönlich.
Keine schnulzigen Sätze in künstlicher und altmodischer Kirchensprache, sondern einfach so, wie ich mit Jesus sowieso jeden Tag mehrfach im Gespräch bin. Mit FreundInnen und Menschen aus der Gemeinde laut zu beten, wie mir gerade der Schnabel gewachsen ist, finde ich völlig normal. Als Gruppenleitung mit lauter alten Menschen einfach so mit Jesus drauf los zu sabbeln, ist aber etwas völlig anderes. Es ist viel intimer, als fünf vorbereitete Sätze in Kirchensprache abzulesen.
Tja, mir blieb nichts anderes übrig, als einfach so zu beten, wie ich immer bete. Ich hatte nichts vorbereitet, und ein (etwas nachgeholtes) Anfangsgebet wollte ich deshalb nicht ausfallen lassen.
Und das Wunder geschah: Gott gab mir genau die richtigen Worte, dass mein Gebet authentisch war, aber für alle Anwesenden verständlich und angemessen. Schließlich waren von dezent Interessierten bis ernsthaft Gläubigen ganz unterschiedliche Menschen versammelt. Während meines Gebets erfüllte der Heilige Geist spürbar den Raum und blieb bis zum Schluss, sodass eine sehr dichte Atmosphäre entstand.
Ich traute mich sogar, mit den SeniorInnen eine Gebetsgemeinschaft zu machen, was allen völlig fremd war. Coronabedingt musste ich die Zahl der Anwesenden klein halten und feierte dementsprechend gleich zweimal den selben Gottesdienst mit zwei Gruppen direkt hintereinander. Und in beiden Gruppen war die Offenheit für ganz neue Formen des Gebets und spiritueller Übungen extrem groß. Im zweiten Gottesdienst überschlugen sich die SeniorInnen in der Gebetsgemeinschaft derart, dass sie parallel beteten und sich gegenseitig ins Wort fielen, so begierig waren sie, nicht nur ein Gebet zu hören, sondern aktiv als Gruppe zusammen zu beten.
Hätte ich mich nicht zu Beginn nackig gemacht und vor allen gut sichtbar und hörbar genauso intim und ehrlich gebetet, wie ich sonst allein bete, wäre eine derartige Dynamik sicher nicht passiert.
Am Ende sagte eine Dame zu mir: „Danke für Ihren Mut, heute so zu uns zu sprechen.“ Ich schaute etwas kariert, daher insistierte sie: „Es braucht eine Menge Mut, eine Versammlung auf diese Weise zu leiten. Danke dafür.“

Dreist sein:
Einzelne SeniorInnen fragten mich vorab, wie ich denn dazu käme, einen Gottesdienst zu leiten.
Ich fragte zurück: Warum denn nicht?
Ich bin seit mehreren Jahrzehnten ununterbrochen Mitglied einer Kirchengemeinde, habe tausende von Veranstaltungen besucht, diverse Gottesdienste moderiert und Gruppen geleitet, was bitte soll mir an Kompetenz fehlen?
Eine Kollegin war völlig baff, als sie später nachfragte, wie die beiden Gottesdienste gelaufen seien, und ich erzählte, dass ich Abendmahl gefeiert hätte.
Wie, Abendmahl, darf das nicht nur die Pastorin machen?
Nö, wieso? Ich veranstalte ja keinen Hochzeitsgottesdienst und taufe auch niemanden, so eine harmlose Runde mit Abendmahl kann doch nun wirklich jedeR veranstalten. Die ersten ChristInnen damals feierten täglich zusammen Abendmahl, und es gab weder eine Pastorin noch ein Kirchengebäude noch einen Vorstand noch eine Kirchenmusikerin bzw. Worship-Band noch einen Hausmeister noch sonst irgendetwas, was eine Kirche heute unbedingt haben muss. Trotzdem haben sie ganz hervorragend Gottesdienst gefeiert, das war eben einfach eine basisdemokratische Versammlung, zu der alle etwas beigetragen haben.

Das Abendmahl mit Traubensaft und Milchbrötchen, das ich unter dem Begriff „Nahrung und Stärkung“ aus meinem „Koffer zum Durchhalten“ zog, war für viele ein besonderer Höhepunkt. Klar war es corona-bedingt anders als sonst, aber die begleitenden Worte (Einsetzungsworte) kannten alle ganz genau und ich sah ihnen an, wie wertvoll es war, mit Traubensaft und Milchbrötchen ein „ganz echtes Abendmahl“ zu feiern. Dass ich keine offizielle Pastorin bin und keine originalen Oblaten, sondern viel leckerere Brötchen verteilte, hat absolut niemanden gejuckt.

Also: Einfach mal dreist sein und darauf schei****, dass irgendwelche Sturköpfe in irgendwelchen Kirchen behaupten, nur sie allein dürften „Sakramente“ austeilen. Komplett egal.
Seit einem halben Jahr hat niemand mit den Damen und Herren gebetet, niemand hat mit ihnen einen hoffnungsvollen Choral gesungen, niemand hat sich um ihre spirituellen Bedürfnisse gekümmert. Wenn ich die Einzige bin, der das auffällt und die dagegen etwas unternimmt, dann tue ich das einfach. Und Gott hat da ganz sicher nichts dagegen.

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Mit Kritzeleien die Bibel verstehen: Bible Art Journaling ausprobiert

Seit einigen Jahren ist der „neue heiße Scheiß“ für christliche Frauen, Bilder in eine Bibel mit halbleeren Seiten zu malen. Es nennt sich super hip „Bible Art Journaling“. Ich persönlich habe viel zu viel Schiss, eine Bibel mit meinem Gekrakel zu verhunzen. Schließlich können versaute Seiten nicht schnell raus gerissen werden, denn ist es die BIBEL, da reißt man einfach keine Seiten raus!
In meiner Kleingruppe beschäftigen wir uns momentan mit den wirklich komplexen Texten aus dem Brief des Paulus an die ChristInnen in Ephesus. Die Sätze sind voll höchst bedeutungsschwerer Begriffe wie „Herrlichkeit, Ehre, Reichtum, Erkenntnis, Erfüllung“, dass einem nur so der Kopf schwirrt.
Und zum ersten Mal war es einfacher, meine Gedanken dazu als Zeichnungen festzuhalten, als die Dichte der Bedeutung sprachlich zu fassen.
So entstanden leuchtende Wolken voller Göttlichkeit und Herrlichkeit, die kraftvoll verwurzelte Liebe Gottes in Höhe, Breite, Tiefe und Länge, und am Ende trat Dagobert Duck auf: So, wie er in Goldtalern badet, segnet Gott mich „überschwänglich über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen“.


Einerseits ist es einfach lustig, abends miteinander unter Corona-Bedingungen in der einbrechenden Dunkelheit auf der Terrasse zu sitzen und wirre Bildchen zu extrem komplexen Zusammenhängen zu kritzeln. Andererseits tauschen wir uns danach ganz anders aus, und bekommen neu einen Einblick in die Denkweise und Persönlichkeit der anderen. Und wenn der neben mir sitzende Physiker Sätze wie „Einwirkende Kraft verändert die Form oder die Richtung“ beiträgt, sehe ich Gottes Wirken in meinem Leben mit ganz anderen Augen.
Also, in der Bibel herum zu kritzeln, oder auf einem kopierten Blatt mit dem Text, ist eine viel bessere Idee, als ursprünglich gedacht…

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Warum du gut bist, wie du bist. Egal, was du selbst darüber denkst

Manche von uns wären gern geheimnisvoll und sexy, stattdessen sind sie die authentischsten und ehrlichsten Menschen im weiten Umkreis. Andere wären gern geistreich und spritzig, stattdessen strahlen sie eine solche Wärme aus, dass sich in ihrer Gegenwart viele geborgen fühlen. Wieder andere wären gern athletisch und schlank, stattdessen erleben die Mitmenschen sie als gemütlich und kreativ und lassen sich von ihrer inneren Zufriedenheit anstecken.
Wer wir sein wollen und wer wir sind, klafft oft auseinander.
Ständig werden wir mit Botschaften und Bildern manipuliert, die uns täglich tausendfach zeigen, wie wir sein sollen:
Plakatwände, Zeitschriften, Fernsehen und Internet präsentieren Menschen, die gesund sind, schlank, sportlich, witzig und sexuell attraktiv. Auch wenn wir wissen, dass wir all diese Anforderungen nicht gleichzeitig leisten können, erwarten wir es unbewusst doch oft von uns. Der Anspruch, wie wir sein sollen, höhlt uns innerlich aus. Selbst, wenn wir uns bewusst von manchem Zeitgeist distanzieren, fehlt uns das volle „Ja“ zu unserem Körper und unserer Persönlichkeit. Wir sind einfach so oft so anders, als wir sein sollen. Und als wir uns in unseren schillerndsten Träumen manchmal ausmalen.

„Du, Gott, bist es ja auch, der meinen Körper und meine Seele erschaffen hat, kunstvoll hast du mich gebildet im Leib meiner Mutter.
Ich danke dir dafür, dass ich so wunderbar erschaffen bin, es erfüllt mich mit Ehrfurcht.
Ja, das habe ich erkannt: Deine Werke sind wunderbar!“

aus: Die Bibel, Psalm 139, Verse 13 und 14

Dabei ist das, wer wir sind, oft so viel wertvoller für uns selbst und unsere Mitmenschen, als die Vorstellung, wie wir gerne wären.
Unser extrem cooler Pastor, bei dem wir uns einig sind, dass wir niemals so cool sein werden wir er, predigte mal darüber, wie unwichtig „cool“ eigentlich ist. Und wie viel wertvollere Persönlichkeitsmerkmale es gibt. Dass unsere Geduld, Freundlichkeit, Offenheit, Herzlichkeit, Durchhaltevermögen und Barmherzigkeit so viel wichtiger für unsere Familien und FreundInnen als ein bestimmtes Image sind.
Auch ich wäre gern anders und bügle oft Komplimente ab, weil ich denke, dass bestimmte Eigenschaften an mir langweilig sind. Dabei sind es gerade diese Facetten, warum andere gern mit mir zusammen sind. Und die Persönlichkeitsmerkmale, die ich mir so für mich ersehne, haben eigentlich keinen bleibenden Wert.

Und das passende Lied dazu: Ich weiß, wer ich bin
Der Klassiker Vergiss es nie, dass du lebst, war keine eigene Idee ist eine beliebte Erinnerung an die Liebe unseres göttlichen Vaters.

P.S.: Ich habe keinen akuten Schlaganfall erlitten, die obigen Zeichnungen habe ich mit der linken Hand angefertigt. Fand ich thematisch passend…

aufmerksam, glaubhaft

Wie redet Gott mit mir? Fragen und Antworten

Eine zentrale Frage für ChristInnen und die, die sich an eine Beziehung zu Gott heran tasten, ist:
Wie redet Gott mit mir?
Heute möchte ich Erfahrungen versammeln, die ich gemacht habe und von denen ich hoffe, dass sie für dich verständlich und hilfreich sind.

1.) Gott kennen bedeutet, seine Stimme erkennen zu können
Wenn das Telefon klingelt und sich eine fremde Person meldet, erkenne ich ihre Stimme nicht und weiß nicht, mit wem ich spreche. Auch Menschen, mit denen ich nur selten Kontakt habe, erkenne ich an ihrer Stimme nicht sofort. Meine beste Freundin dagegen kann sich melden und „Ich bin’s“ sagen, ohne dass ich eine Sekunde zögern brauche, wer am anderen Ende ist.
Wer Gott hören möchte, sollte ihn kennenlernen. Durch die Bibel, in der Menschen von ihren Erlebnissen mit Gott erzählen. Dabei hilft es, wirklich selbst die Bibel zu lesen, statt sich darauf zu verlassen, was andere über Gott und die Bibel erzählen. Das kann hilfreich sein, ist aber eine Meinung aus zweiter Hand. Wenn ich die Mail einer Person lese, die ich gut kenne, höre ich in meinem inneren Ohr ihre Stimme und weiß, welche Aussage ernst gemeint ist und wo Humor mitschwingt. Genauso ist es mit der Bibel, durch die wir Gottes Stimme kennenlernen.
Oft fällt mir in einer schwierigen Situation plötzlich ein Bibelvers ein oder ich höre innerlich ein Lied, dessen Botschaft perfekt zum aktuellen Moment passt. Je mehr Lieder ich kenne, desto eher kann Gott mich auf diese Weise erreichen.

2.) Gottes Prinzipien zu kennen heißt, seine Stimme von anderen unterscheiden zu können
Mal angenommen, ich bin im Schwimmbad und werde richtig heftig angeflirtet (wahre Geschichte). Dann könnte ich das entweder für eine Weile genießen und mich dann höflich verabschieden, oder ich könnte denken: „Super Gelegenheit, wir haben sowieso fast nichts am Körper, mein Mann ist nicht da, lass uns die Gelegenheit ausnutzen.“ Jetzt könnte ich Gott fragen, ob das in Ordnung geht – ein Mal ist kein Mal. Oder ich kenne die Prinzipien, die Gott für ein gelingendes Leben vorschlägt, so gut, dass ich an dieser Versuchung entspannt vorbei gehen kann. Einfach weil ich weiß, wie Gott tickt, und ich ihn gar nicht erst fragen brauche. Dazu muss ich Gott durch gemeinsame Zeit in der Stille, mit Gebet und Bibellesen natürlich gut genug kennen. Sonst könnte ich mir irgendeinen Quatsch einreden und vorgaukeln, dass Gott das schon okay fände und mich ja irgendwie hindern könnte, sollte Fremdgehen kein göttlicher Gedanke sein.

3.) Gott hat oft ganz andere Ideen für mein Leben als ich
Oft fragen wir Gott um Rat, wenn wir eine Entscheidung treffen wollen oder sie eigentlich schon getroffen haben und uns jetzt eine Bestätigung wünschen. Ich habe oft erlebt, dass bei den typischen „Entweder-Oder-Entscheidungen“ Gott eine ganz andere Idee hatte. Wir versteifen uns häufig extrem auf unseren beschränkten, menschlichen Blickwinkel und meinen, dass es nur zwei Möglichkeiten zur Auswahl gäbe. Gott ist aber in so viel mehr Dimensionen als wir unterwegs, dass sein Wunsch für unser Leben weit außerhalb unserer Vorstellungskraft ist. Also: Rechne damit, dass Gott als Antwort auf „Entweder-Oder-Fragen“ mit etwas ganzzzzz Anderem um die Ecke kommt.

4.) Wenn Gott durch Gefühle redet
ChristInnen kennen beides: Innere Unruhe und tiefen Frieden als Kommunikationsformen Gottes für uns.
Wenn ich auf einmal eine ganz bestimmte Unruhe habe, die mein ganzes Sein erfasst und mit einem klaren Impuls zusammen auftritt, weiß ich: Das ist Gottes Wille, den ich JETZT tun soll. Ich soll JETZT diese Person anrufen und einfach fragen, wie es ihr geht. Ich soll mich JETZT überwinden, auf jemanden zuzugehen und ein Missverständnis aufzuklären. Ich soll JETZT im Meeting für jemanden Partei ergreifen, über den gelästert wird. Diese schreckliche Unruhe geht erst weg, wenn ich dem Impuls folge. Danach fühle ich mich erleichtert, erlebe kraftvolle Rückmeldungen, schaue in glückliche Gesichter und weiß: Heute bin ich innerlich wieder ein Stück mehr zu Gott hin gewachsen.
Will Smith kennt das Prinzip: Hinter der schlimmsten Angst liegt die größte Freude.
Genauso gut kennen ChristInnen einen tiefen inneren Frieden, den Gott schenkt, um eine Entscheidung zu bestätigen. Dieser Frieden ist ein Gefühl, das es sonst nie auf der Welt gibt, noch nicht einmal unter Drogeneinfluss. Er zeigt uns, dass Gott verspricht, dass dieser Entschluss der richtige ist und dass er uns begleitet.

5.) Manchmal beantwortet Gott unsere Frage mit einer Gegenfrage
Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass ich Gott lange mit einer bestimmten Frage nerve und er plötzlich mit einer Gegenfrage antwortet. Meist lautet sie „Vertraust du mir? Würdest du an dieser Stelle über deinen Schatten springen? Würdest du einen Schritt auf mich zumachen und etwas riskieren?“ Oft geht es dabei um unbequeme Entscheidungen, um blöde Pflichten, um Geld, um meinen Stolz. An dieser Stelle auf Gott zuzugehen, ist absolut möglich, nur hindert mich mein Ego daran. Wenn ich die Kontrolle loslasse und etwas tue, das im ersten Moment anstrengend oder schmerzhaft wirkt, erlebe ich danach, dass sich meine Beziehung zu Gott vertieft hat. Und dass er mir alles, was ich losgelassen habe, zehnfach zurück gibt. Plötzlich höre ich dann auch seine Antwort auf meine Frage oder erlebe, dass sich Konflikte ganz von allein auflösen.


6.) Zwei hören mehr als eineR
Oft ist es mir passiert, dass mir andere ChristInnen meine Frage an Gott beantwortet haben: Indem ich in einem Buch über einen Satz stolperte, der mich direkt ins Herz traf und innerlich veränderte. Indem andere davon erzählen, was sie gerade mit Gott erlebt haben und ich mich davon berühren lasse. Indem ich offen bin für das, was andere mir ganz konkret als Ratschlag geben, statt gleich abzuwinken und zu denken: „Die spinnt doch, ich erwarte von Gott eine ganz andere Ansage.“
Andere freuen sich, wenn wir sie ins Vertrauen ziehen und darum bitten, dass wir gemeinsam für meine Fragen beten. Manchmal braucht das Überwindung, weil wir meinen, damit Schwachstellen bloß zu legen – aber auch das hilft uns, unser Ego immer mehr loszulassen und Gottes Wirken in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen.

7.) Die Balance aus Geben und Nehmen
Wenn ich mich nur bei meinen Freundinnen melden würde, wenn ich ihre Hilfe beim Umzug, ihr Auto zum Ausleihen und ihr Ohr zum Vollheulen brauche, werden sie nicht lange meine Freundinnen sein. Mit Gott ist es genauso: Fordere ich nur oder gebe ich auch etwas von mir selbst – Zeit, Aufmerksamkeit, Verpflichtungen oder sogar Geld?
Gebet ist kein Handel, Gott ist souverän und überaus großzügig. Dennoch können wir nicht erwarten, dass wir immer nur quengeln und bitten, damit Gott wie ein Automat unsere Bedürfnisse erfüllt. Er freut sich, wenn wir mit ihm Zeit verbringen. Wenn wir aufmerksam sind und uns für seine Hilfe und Versorgung im Alltag bedanken. Wenn wir andere unterstützen, denn durch eine starke Gemeinschaft fördern wir Gottes Wirken in dieser Welt.

Ich hoffe, dass meine Erfahrungen für dich verständlich dargestellt wurden und dir weiterhelfen. Bei Fragen stehe ich gern über die Kommentarfunktion zu Verfügung!
Eine Andacht zum Thema habe ich vor vielen Jahren hier vorgestellt.
Zum Schluss empfehle ich aus ganzem Herzen diesen fröhlichen Song, um Gott einzuladen, zu uns zu reden: Heiliger Geist von DMMK