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Deinen Wert bestimmst du

„Das Schlimmste an der traditionellen romantischen Liebe ist, dass damit die Geschichte für euch mutmaßlich zu Ende ist – wenn ihr Mädchen seid. Die Musik schwillt an, sie sinkt in seine Arme, der Vorhang fällt, und sie ist erledigt. Sie driftet ab in ein Leben des Kindergebärens und der stillen Glückseligkeit. Wünscht sich nicht jedes Mädchen genau das? Nein. Viele Wege führen in ein Leben voller Liebe und Abenteuer. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir Geschichten über das Singledasein – und über Unabhängigkeit in der Paarbeziehung – erzählen. Wir müssen uns endlich wieder an die Frauen des letzten Jahrhunderts erinnern, die aus eigenem Entschluss ohne Partner blieben, damit sie Kunst und Geschichte machen konnten, ohne dass ständig ein Mann ein warmes Essen von ihnen erwartete. Wir müssen uns ins Bewusstsein rufen, dass die modernen Versionen dieser Frauen überall zu finden sind und wir keine Angst davor haben müssen, so zu werden wie sie. Mehr als die Hälfte aller Frauen über achtzehn ist unverheiratet. Mehr als die Hälfte aller Ehen endet mit Scheidung. Es ist Zeit, die Vorstellung ad acta zu legen, eine alleinstehende Frau sei im Leben gescheitert.
Von alleinstehenden Frauen wird ständig erwartet, dass sie sich für diese Lebensentscheidung rechtfertigen. Wenn wir Frauen uns kollektiv weigern würden, die emotionale Managementarbeit zu leisten, die von uns in Beziehungen erwartet wird, hätte das ernsthafte gesellschaftliche Folgen. Daher hängt viel davon ab, dass man uns in diese Rolle zwängt und uns das Gefühl vermittelt, wertlos und nicht liebenswert zu sein, wenn wir nicht zu einem Mann gehören.“

Larie Penny in „Bitch Doktrin“, Edition Nautilus

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Der Preis für die Liebe

„Und ich glaube dennoch, dass es für viele junge Frauen die richtige Entscheidung ist, Single zu bleiben. Nichts frustriert mich mehr, als mit anzusehen, wie junge Frauen ihr Leben an farblose, undankbare, langweilige Mannskinder vergeuden, die nur ein Mädchen brauchen, mit der sie vor ihren Freunden angeben können, und das im stillen Kämmerlein Ersatzmutter und Sexpartnerin gleichzeitig ist. Ich war dieses Mädchen. Es machte keinen Spaß.
Es ist nicht so, dass die Träume dieses Mädchens gar nicht zählten, aber sie zählten immer weniger als die ihres Freundes, weil Jungs mit der Erwartung aufwachsen, dass ihre Freundin sie unterstützt. Ihr seht sie überall: erschöpfte junge Frauen, die mit ihrer gesamten Energie jungen Männern ihr Leben organisieren, ihnen Mut machen, sich um sie kümmern; Männern, die ihnen das übelnehmen, es ihnen aber noch mehr verübeln würden, wenn sie es nicht machten. Ihr seht sie für jedes Krümelchen Zuneigung kriechen, bis alles in die Brüche geht und der Teufelskreis von vorn anfängt. So kann man seine gesamte Jugend verplempern.
Für junge Frauen soll auf der Prioritärenliste ganz oben stehen, ob Männer sie in Liebesdingen gut finden, und viele junge Männer können sich eine Welt, in der wir andere Prioritäten setzen, nur schwer vorstellen. Das ist problematisch, weil von uns erwartet wird, dass wir uns dafür in allen anderen Bereichen des Lebens beschneiden. Wir sollen unsere Identität herunterspielen, wir sollen finanziell oder beruflich nicht erfolgreicher sein als unser Partner. Wir dürfen Kreativität und Ehrgeiz an den Tag legen, aber nie mehr als der Mann in unserem Leben, damit er sich nicht bedroht fühlt. Dabei gibt es wenig Männer, für die sich dieses Opfer lohnt.
„In der patriarchalen Kultur betrachten tendenziell Männer die Liebe als etwas, das ihnen zusteht, ohne dass sie sich selbst anstrengen müssten,“ schreibt Bell Hooks in „All About Love: New Visions“, „in den meisten Fällen wollen sie die Arbeit, die Liebe erfordert, nicht verrichten.“ Selbst die nettesten Männer erwarten oft, dass sie, sobald eine Frau in ihr Leben tritt, die meisten Hausarbeiten nicht mehr verrichten müssen.
Wenn ich mich über dieses monolithische Ideal der romantischen Liebe geäußert habe, kam der heftigste Widerstand von Männern, zum Teil verbunden mit Gewalt, und das ist auch kein Wunder: Männer haben in diesem traditionellen Arrangement viel mehr zu gewinnen. Männer dürfen romantische Liebe als Gefühl und Erfahrung betrachten, das ihnen als Belohnung für ihr fantastisches Ich zusteht. Ich hätte es auch nicht gern, wenn mir jemand das streitig machte.
Frauen dagegen lernen schon früh, dass wir, um geliebt zu werden, hart arbeiten müssen, und um dauerhaft geliebt zu werden, noch härter arbeiten müssen. Wir kümmern uns um Männer, die nie gelernt haben, sich um sich selbst zu kümmern, und das unabhängig davon, ob wir für eine solche Arbeit überhaupt geeignet sind. Wir tun es, weil uns eingeredet wird, dass wir andernfalls einsam sterben.“

Laurie Penny in „Bitch Doktrin“, Edition Nautilus

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Der „kleine Unterschied“ bestimmt das Leben von Frauen massiv

Deutlich weniger Gehalt für Frauen bei gleichem Berufsweg und gleich viel Erfahrung.
Weniger Führungspositionen auf mittlerer Ebene, keine in der Geschäftsleitung.
Fachärztin ja, Chefärztin nein.
Kind kriegen geht in Ordnung, danach gibt es ausgedehnte Erziehungszeiten mit oder ohne Teilzeitjob.
Wer als Mutter Vollzeit arbeitet, wird dennoch von Beförderungen ausgeklammert, denn wie wahrscheinlich ist es, dass sie wirklich fokussiert und belastbar arbeitet? Wahrscheinlich wird sie sich ständig wegen der Kinder krankmelden oder aus dem Büro den Fahrdienst zum Schwimmunterricht organisieren. Führungskräfte stellen wir uns anders vor. So wie uns selbst, das ist einfacher. Bei Männern weiß man(n) einfach, woran man(n) ist. Und falls deren Kinder mal krank sind, kann die Frau sich ja drum kümmern.

Reportage: Aus ihrem Leben erzählen 18 Frauen und berichten, wie ihre Chancengleichheit im Beruf tatsächlich aussieht.

Der kleine Unterschied: Zahlen und Fakten

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Filmempfehlung: „Die göttliche Ordnung“

 

Für ruhige Sonntagnachmittage und verregnete Abende: Der schweizer Film „Die göttliche Ordnung“ spielt 1971 in einem beschaulichen Dorf. Von den aktuellen Studentenunruhen, gesellschaftlichen Diskussionen und sich verändernden Lebensperspektiven ist hier nichts zu spüren. Nora ist verheiratet, hat zwei Kinder und führt dem Schwiegervater den Haushalt. Als sie auf der Straße auf die bevorstehende Abstimmung über ein mögliches Frauenwahlrecht angesprochen wird, kann sie mit dem „Kampf zur Befreiung der Frau“ nicht viel anfangen: „Ich fühle mich aber nicht unfrei,“ meint sie. Sie kommt langsam ins Nachdenken, als ihr Mann ihr verbietet, wieder in ihrem Ausbildungsbetrieb als Reisesekretärin zu arbeiten und im örtlichen Frauenverein massiv Stimmung gegen das Frauenwahlrecht gemacht wird. Auch, dass ihre Schwägerin erst ins Erziehungsheim und dann ins Frauengefängnis gesteckt wird, weil sie sich nicht an die engen moralischen Regeln hält, rüttelt sie auf. Doch viele Frauen im Dorf kennen nur, was sie gewohnt sind, und leben in den Grenzen, die es schon immer gab. Erst langsam gerät die weibliche Bevölkerung in Bewegung und die Handlung gewinnt an Tempo.
Das legendäre Jahr 1968 jährt sich zum fünfzigsten Mal und der Film lädt dazu ein, sich mit den damaligen Ereignissen und den Auswirkungen bis heute zu beschäftigen. Was bleibt, ist die Tatsache, dass Frauen bis heute gesellschaftlich und sozial nicht gleichberechtigt sind. Zum Teil sind dafür die Männer verantwortlich, die nur ungern auf dem Thron zur Seite rutschen. Zum Teil sind wir Frauen selbst Schuld, wenn uns unser kleines, ruhiges Privatleben wichtiger ist als unbequemes Handeln und konsequentes Stellung-beziehen.

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Frauenrecht ist Menschenrecht

Was ist nur mit dieser Welt los?

Ich dachte, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Auch die der Frau. Immerhin bilden Frauen keine vernachlässigbare Minderheit von 7,3%, sondern die Hälfte der Bevölkerung.
Warum brauchen wir heute noch Frauenhäuser?
Warum leben weiterhin so viele Männer in dem Glauben, sich nehmen zu können was sie wollen und schlagen zu dürfen, wen sie wollen?

Ich dachte, wir seien uns einig, dass sexuelle Handlungen einvernehmlich stattfinden. Und nur einvernehmlich. Zumindest in der westlichen Welt nahm ich an, soweit seien wir nach Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte endlich gekommen. Wenn ich erlebe, welch hysterische Aufruhr „Nein heißt nein“ nach sich zog und Männer plötzlich behaupteten, dass ihre niederträchtigen Ehefrauen sie nach einer lustigen Runde im Bett auf einmal anzeigen könnten, weil sie es am Tag danach vielleicht doch nicht gewollt haben – wie krank ist das? Darum geht es doch nicht! Niemand behauptet, dass jeder Mann ein Formblatt ausfüllen muss, um sicher zu sein, dass seine Partnerin den nachfolgenden Handlungen zustimmt!
Dass Frauen weder Haustiere noch Spielzeuge sind, scheint bis heute nicht in männliche Köpfe zu passen. Dass allein ihre körperliche Stärke eine reale Gefahr ist und Frauen von dieser Gefahr täglich begleitet werden, das ist Fakt. Dass Männer bis heute gesellschaftlich höher gestellt sind und Frauen effektiv drohen können, dass ihnen Nachteile entstehen, wenn sie nicht mitmachen, hat uns „Me too“drastisch gezeigt. Dass plötzlich eine unermessliche Welle von Vergewaltigungsanzeigen über Deutschland hereinbricht, nur weil Frauen sich verweigern, ist Mumpitz. Dass es vielen Frauen bis heute nicht hilft, sich zu verweigern, weil sie dann eben gegen ihren Willen benutzt werden, ist eine bittere Wahrheit. Und dass die wenigsten Taten angezeigt werden, weil sie im direkten Umfeld der Frauen stattfinden und die Frauen die Konsequenzen einer Anzeige fürchten, bleibt trauriger Alltag.

Ich dachte, wir seien uns einig, dass Frauen über ihren Körper selbst bestimmen. Völlig egal, ob sie vor dem Schwanger-werden-können verhüten oder danach abtreiben. Schlimm genug, dass es immer noch die Frauen sind, die sich allein mit dem Thema Schwanger-werden-können herum schlagen und die Pharmalobby beschlossen hat, dass sie männliche Verhütungsmittel weder erforschen noch vertreiben, weil es für die Männer mit Nebenwirkungen verbunden ist (die die Frauen seit 60 Jahren in Kauf nehmen).
Schlimm genug, dass es überall in Deutschland Zwangsprostitution gibt.
Schlimm genug, dass es Babyklappen gibt, weil Frauen ungewollt Mütter werden.
Schlimm genug, dass es bis heute Frauen gibt, die ihre Babys heimlich allein gebären.
Schlimm genug, dass die Nachfrage nach anonymen Geburten groß ist und es dazu bis heute in Deutschland keine geklärte Rechtslage gibt.
Aber wie gut, dass wir Babyklappen haben und dass es Vereine gibt, die Frauen beraten und zur anonymen Geburt sowie danach begleiten.
Inwiefern wäre die Welt besser, dürften Frauen nicht mehr abtreiben und würden wieder in den Hinterzimmern von Engelmacherinnen verrecken? Dürften Ärzte keine Abtreibung mehr anbieten? Dürften Beratungsstellen keine Adressen zu entsprechenden Kliniken weitergeben (was viele von ihnen sowieso nicht tun, da sie parteiisch sind oder sich gar nicht für gute Behandlungen interessieren)?
Frauen werden ungewollt schwanger, und dabei liegt die Verantwortung zu 50% bei ihnen. Die anderen 50% der Verantwortung liegen bei den Männern, die ihre Frauen mit den Folgen im Stich lassen. Oder zur Abtreibung drängen, was auch keine faire Lösung ist.

Ich dachte, wir seien uns einig, dass Frauen ein Recht darauf haben, als Frauen angesprochen zu werden. Wir bilden die Hälfte der Weltbevölkerung. Wir fühlen uns bei männlichen Titeln und Anreden nicht mitgemeint. Denn die männliche Anrede ist nicht die menschliche generell. Als Kunde, Patient und Student werden Männer angeredet, nicht Frauen. Ganz offensichtlich. Denn Frauen sind Kundin, Patientin und Studentin. Das ist keine Korinthenkackerei, sondern ein Grundrecht auf die eigene Identität. Denn männlich ist nicht gleich menschlich, und damit dann im Nachklapp auch weiblich. Männlich ist männlich, und weiblich ist weiblich. Die Hälfte der Bevölkerung hat keine Lust mehr, jedes Mal zu rätseln, ob sie „mitgemeint sind“ oder sich als solches zu identifizieren.

Ich dachte, es sei logisch, dass arbeitende Frauen den gleichen Lohn bei gleicher Tätigkeit verdienen wie Männer. Nicht 20% weniger. Bei gleichzeitiger Mehrfachbelastung durch Kinder oder zu pflegende Angehörige. Während diverse Wirtschaftszweige Frauen konsequent mehr Geld für das gleiche Produkt wie die Männer bezahlen lassen: Vom Haarschnitt bis zum Rasierer.

Von weiblicher Beschneidung, Mädchensklavinnen und Zwangsehen habe ich noch gar nicht angefangen. Bisher spreche ich hier nur von den „Wohlstandsproblemen“ der westlichen Welt. Von denen wir meinten, sie seien tatsächlich Lappalien, soweit, wie die Entwicklung der letzten hundert Jahre uns gebracht hat.

Ich habe mich geirrt.
Ich hoffe und bete inständig, dass die Menschen dieser Welt Vernunft annehmen.
Dass Frauen weiter kämpfen. Kämpfen, ohne müde zu werden.
Und dass Männer endlich ihre Ohren, Intellekte und Herzen öffnen.

aufmerksam, feminin

Wenn brave Mädchen kritische Frauen werden

 

Dank eines grippalen Infekts, der mich und mein Leben vorübergehend lahmlegte, öffnete sich für mich die Welt derer, die gern Fernsehserien schauen. In diesem Fall nutzte ich den Amazon-Account meines Mannes, um mich von ekligen Schmerzen abzulenken. Dabei stolperte ich über die Serie „Good Girls Revolt“:
Im Jahr 1969 dürfen in einer modernen Redaktion des Wochenmagazins „News of the Week“ Frauen recherchieren, Kontakte spielen lassen, sich im Archiv vergraben und stundenlang Polizeireviere auf der Suche nach Informationen abtelefonieren. Sie dürfen auch auf der Grundlage ihrer Recherchen eine eigene Darstellung des Themas schreiben. Sie dürfen diese allerdings nicht veröffentlichen, und schon gar nicht unter ihrem Namen. Das tut der ihnen jeweils zugeordnete Journalist, der in der Vorlage der Frauen zwei Kommata ändert und fünf Minuten später den Artikel unter seinem Namen veröffentlichen lässt. Bei gleicher Ausbildung dürfen Frauen nur Rechercheurinnen sein, nie Journalistinnen. Und mit einem Bruchteil des Gehalts dürfen sie auch zufrieden sein. Das macht den hübschen, schlanken Mädchen aber gar nichts aus, denn sie sind schrecklich froh, überhaupt arbeiten zu können – und das in einem derart modernen Büro!
Langsam wird ihnen klar, dass ihre beruflichen und persönlichen Lebensumstände nicht so wunderbar und erstrebenswert sind, wie sie bisher glaubten. Den einen dämmert es früher, den anderen später, was innerhalb der Belegschaft zu neuen Dynamiken führt. Die erste (und leider bereits letzte) Staffel endet damit, dass die Frauen sich so weit zusammen raufen, dass sie Beschwerde wegen Ungleichbehandlung gegen ihren Arbeitgeber einreichen und mit einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gehen.
Die Serie lebt von schwungvollen Dialogen, sehr hübschen und sehr schlanken jungen Frauen, kurzen Röcken, viel Sex, tollem Design von der Frisur bis zur Tapete und einer grundlegend guten Laune, egal, wie dramatisch es zwischenzeitig aussieht. Kurz: Es macht Spaß, zuzuschauen.

Vor kurzem lief bei uns eine ähnliche Serie im ZDF namens „Zarah – Die wilden Jahre“. Hier übernimmt eine durchsetzungsstarke Frau 1973 die Position der stellvertretenden Chefredakteurin in Deutschlands fiktiver größter Illustrierten. Zarah ist, ähnlich wie die Hauptdarstellerin in der amerikanischen Variante, ebenfalls schrecklich dünn und trägt genauso enganliegende Kleider und superkurze Röcke. Davon abgesehen weiß sie vom ersten Moment an genau, was sie will. Sie ist bissig, kantig, pfeift auf nette Konversationen und macht sofort deutlich, worin sie ihre Aufgabe in der Redaktion sieht. Im Privatleben ist sie genauso schlecht gelaunt wie im Beruf, und Gefühle sind nicht so ihrs. Damit das Ganze nicht versehentlich in einen dieser oberrealistischen, pessimistischen deutschen Filme abgleitet, muss sie natürlich Sex haben und nackt zu sehen sein, bloß mit einer Frau statt mit einem Mann.

Was nach dem Konsum beider Serien hängen bleibt:
Frauen im Fernsehen müssen primär dünn sein, dies deutlich zeigen, und regelmäßig nackt auftreten.
Dass die Filme vorrangig Frauen ansprechen sollen, ist an dieser Stelle völlig egal. Die Optik, die alle Filme durchdringt, die Männer machen, muss auch in kritischen Frauenfilmen durchgehalten werden. Wo kommen wir denn da hin, wenn es plötzlich moppelige Frauen im Fernsehen gäbe? Oder welche mit mausbraunem Haar statt roter Mähnen (wie komischerweise beide Hauptdarstellerinnen in Deutschland und USA)? Oder gar Frauen, die nicht eindeutig weiß sind? Nein nein, egal, wie politisch das Thema ist, Frauen sind dünn und oft nackt, das muss so. Auch und gerade in Filmen über Emanzipation. Schließlich weiß ich, Marie Krüerke, ja nicht, wie dünne nackte Frauen aussehen, nachdem ich täglich tausende davon auf Reklametafeln und Zeitschriftenseiten gesehen habe (oder mich selbst im Spiegel…)! Und in den Sechzigern und Siebzigern trugen alle immer superkurze Röcke ohne Strumpfhose, besonders im Winter, wo beide Serien gedreht wurden. Es gab ja keine bodenlangen Walla-walla-Kleider oder wilde Schlaghosen, nein, es gab nur kaum pobedeckende Minis. Ehrlich, die Darstellerinnen müssen beim Dreh chronische Blasenentzündungen gehabt haben. Solch eklige Themen interessiert die Filmcrew aber nicht, das läuft unter „privaten Problemchen“.
Offensichtlich haben selbst in Fernsehprojekten, die politische Revolutionen der weiblichen Hälfte der Bevölkerung darstellen sollen, Männer genug Durchsetzungskraft, dass die herrschenden Schönheitsmerkmale propagiert werden müssen. Und Sexismus in einem Film gegen Sexismus ist nun wirklich Korinthenkackerei.

 

aufmerksam, feminin

Wer hat die Deutungshoheit?

 

Das Schöne an unserer Welt ist, dass Jede in Freiheit ihr eigenes Dasein mit Leben füllt. Und Jede die täglichen Erlebnisse auf ihre eigene Art deutet.
Wer etwas dagegen hat, dass Jede ihren eigenen Wünschen gemäß lebt und sich entfaltet, sind oft „alte weiße Männer“. Sie erheben einen Anspruch auf Deutungshoheit, auf Wissen, auf Entscheidungsmacht und Moral. Ihnen gegenüber stehen Frauen aller Couleur, Kinder, nicht-weiße Männer sowie Menschen mit interessanten Lebensentwürfen jeder Art. Natürlich gibt es auch jede Menge „junge weiße Männer“, die anderen diktieren, wie sie zu leben haben. Genauso wie „farbige Männer“, die mit Menschenrechten sehr lax umgehen.
Grundsätzlich interessant ist und bleibt, dass „alte weiße Männer“ bis heute unsere Gesellschaft bestimmen. Sie legen die Regeln fest. Sie lassen aufsteigen, lassen feuern, schreiben die Tageszeitungen (und stellen Frauen am liebsten mit 24% weniger Gehalt verglichen mit gleichwertigen männlichen Posten ein), lehren an Universitäten, fällen Urteile, regieren Kirchen.
So weit alles bekannt, auch wenn es sich insbesondere männliche Leser in diesem Ausmaß nur selten vor Augen führen – während Frauen es oft genug als Alltagssexismus erleben.

Das wirklich Interessante ist, dass sich die meisten „alten weißen Männer“, die ich kenne, nicht als solche bezeichnen würden. Und schon gar nicht als Gruppe zusammen gefasst werden wollen. Denn sie fühlen sich aufgeklärt und kritisch, sie fühlen sich liberal und modern. Am besten schreiben sie mir noch Leserbriefe und erklären mir väterlich die Welt, im Glauben, sie seien reflektiert und weltgewandt.
Nein.
Sie sind, auch wenn sie es tausendfach verneinen, Teil der Übermacht der „alten weißen Männer“, die bis heute die Welt regieren. Und da natürlich nicht alle die Welt regieren können, dirigieren sie wenigstens ihre Familie und ihre Abteilung.
Wer nicht auf ihre Weisheiten hören will, die sie ungefragt verteilen, wird abgestraft.

Daher heute meine persönliche „Hitliste blöder Sprüche von alten weißen Männern“:
„Was willst du denn jetzt ein Freiwilliges Soziales Jahr machen, wenn du nach dem Studium sowieso heiratest und Kinder bekommst? Reine Zeitverschwendung.“
„Das hat sich Gott so nicht gedacht.“
„Das wirst du noch bereuen.“
„Das halte ich für SEHR gewagt. Beruflich solltest du in eine ganz andere Richtung gehen, das wäre wesentlich solider.“
„Wirklich traurig, dass du keine Kinder bekommen willst. Aber sicher kommt der Wunsch später doch. Sonst wird es dir eines Tage sehr fehlen.“

 

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Buchrezension: „Das Paradies ist weiblich. Eine Reise ins Matriarchat“ von Ricardo Coler

Herbstwald

 

Wer mein Blog seit Jahren verfolgt, wird feststellen, dass der heutige Artikel nicht „Buchempfehlung“ sondern „Buchrezension“ heißt. Und das hat einen Grund.
Ricardo Coler stammt aus Argentinien und kennt eine vom Machismo geprägte Gesellschaft. So reist er mit einem respektlosen Chinesen als Übersetzer in eine entlegene Region Süd-Chinas, um dort das Volk der Mosuo kennenzulernen.
Die Mosuo leben im Matriarchat, dabei gilt die Zugehörigkeit zur Familie über die Mutter. Männer bleiben lebenslang bei ihrer Familie und arbeiten dort unter den Anweisungen der Frau, die der Familie vorsteht. Über Nacht besuchen die Männer die Frauen, müssen jedoch vor Sonnenaufgang verschwunden sein. Da kein Kind einen offiziellen Vater hat und keine Ehen geschlossen werden, ist die Familie ein sehr starker und langlebiger Zusammenhalt unter dem Einfluss der Frauen. Wenn eine Frau möchte, lässt sie für längere Zeit nur den gleichen Mann zu Besuch kommen. Lässt er es an Loyalität diesem exklusiven Arrangement gegenüber vermissen, darf er sie nicht länger besuchen kommen. Da die Frauen die Verantwortung für die Familie tragen, wird für alle Generationen gleichermaßen gesorgt. Die Frauen arbeiten hart in der Landwirtschaft und delegieren einen Teil der Aufgaben an die Männer der Sippe. Oft lungern die Männer aber auch auf dem Dorfplatz oder am See herum und tun den ganzen Tag nichts anderes, als Karten zu spielen. Es gibt keine Gewalt, auch keine Form der Strafe bei Fehlverhalten. Es gibt weder Neid noch Streben nach Besitz und Macht. Das höchste Ziel der Frauen ist es, ihre Familie zu ernähren und in Frieden zu leben.
Bedauerlicherweise schafft Ricardo Coler es nicht, die eigene kulturelle Brille abzulegen. Es fängt damit an, dass er aus einer patriarchalen Kultur kommt, in der er als weißer Mann seit Jahrhunderten der Sieger ist. Statt sich zu überlegen, wie er wohl einer komplett anderen Kultur begegnet, in der er nur ein unbedeutender Knecht ist, holt er sich einen unhöflichen chinesischen Übersetzer. Dieser kann mit anderen Gesellschaftsformen noch weniger anfangen als Herr Coler und benimmt sich regelmäßig respektlos der Dorfgemeinschaft gegenüber. Auf diese Weise verhält sich die Sippe, in deren Hof er übernachten darf, höflich-distanziert dem Gast und seinem Begleiter gegenüber.
Ich denke: Kein Wunder. Würde ich in den Palast des aktuell regierenden Scheichs der arabischen Emirate marschieren und glauben, ich bekäme als zierliche westliche Frau einen großartigen Empfang, würde ich schneller vom Tor verscheucht, als ich laufen könnte. Andere Gesellschaft, andere Geschlechterrollen, andere Umgangsformen. Das ist doch völlig klar. Würde ich den Scheich in Abu Dhabi besuchen wollen, wäre ich doch so schlau, einen listigen und körperlich beeindruckenden Mann als Begleiter zu engagieren. Schließlich brauche ich im Herrschaftsbereich der Männer, deren Kultur mir fremd ist, natürlich einen Mann als Türöffner. Entsprechend überzeugend und sozial intelligent müsste er sein, um seinen Job als Bindeglied erledigen zu können, damit ich im Anschluss meinen Auftrag angehen kann.
Aber Herr Coler wundert sich, warum er den Eindruck hat, diesen stolzen und beherrschten Frauen keine Fragen über Sex stellen zu können. Oder über ihr privates Gefühlsleben und andere Intimitäten. Als fremder Mann aus einer anderen Kultur mit einem unprofessionellen Übersetzer, der sich in eine komplett andere Art der Wertvorstellungen begibt, kann er nicht erwarten, die Geheimnisse dieses Volkes auf einem Silbertablett präsentiert zu bekommen. Nur ein Macho aus einer patriarchalen Welt glaubt das.
Entsprechend oberflächlich sind die tatsächlichen Fakten, entsprechend schwammig fällt das Bild über das Leben der Mosuo aus. Warum das Buch ein Bestseller wurde, ist mir schleierhaft. Wenn eine gründlich recherchierende Frau mit entsprechender interkultureller Kompetenz die Mosuo besuchen und darüber schreiben würde (oder jedes andere verbliebende Matriarchat dieser Welt), würde ich das sehr gern lesen.
So ehrenwert es ist, wenn Männer Räume jenseits des Patriarchats entdecken – wenn sie sich nicht darauf einlassen und ständig alles durch ihre westliche Brille beurteilen, hat es keinen Wert.

Einen tatsächlichen Blick in den Alltag bietet das (mir bisher unbekannte) Buch „Das Land der Töchter: Eine Kindheit bei den Moso, wo die Welt den Frauen gehört “ von Yang Erche Namu.

 

 

Herbstlaub

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Die Rosa-Hellblau-Falle: Eine Lange Nacht der Geschlechterrollen

Heute habe ich mir knappe drei Stunden lang die Sendung „Die Rosa – Hellblau-Falle: Eine Lange Nacht der Geschlechterrollen“ angehört und war sehr gespannt, welche meiner Statements es aus dem Interview im NDR-Studio in die Sendung geschafft haben.
Im September wurde ich von Almut Schnerring via Telefonleitung im Studio zu Themen rund um Geschlechterrollen und Rollenklischees befragt. Die dreißig Minuten Gespräch über logopädische Themen wie „Warum die körperliche Konstitution die Stimme beeinflusst und was die Psyche damit zu tun hat“ und „Warum es in meinen logopädischen Stunden keine geschlechtsspezifischen Aufgaben, Spielzeuge, Trinkbecher und Buntstifte gibt“ wurden leider nicht in die Sendung aufgenommen, weil sie dem Sender zu „fachspezifisch“ waren. Genau dafür hatte Frau Schnerring mich kontaktiert, aber manchmal gestaltet es sich doch anders. So oder so bin ich mit dem, was ich von mir gehört habe, zufrieden, und da der Fokus im Endprodukt sehr auf Kindererziehung und den Erfahrungsberichten von Eltern lag, ergab sich einfach ein anderer Schwerpunkt als der, der im September angedacht war.
Gerne denke ich an die Stunde im NDR zurück und nehme es dankbar als Lebenserfahrung.

Allen, die keinen persönlichen Bezug zu der Sendung haben, lege ich sie aufgrund der sehr ausgewogenen Mischung an Themen und Interview-PartnerInnen ans Herz. Wer sich für Erziehung, den täglichen Umgang miteinander und Fragen der Gesellschaftskritik interessiert, entdeckt in diesem Radiobeitrag spannende Fragen und Aussagen. Über das Ergebnis der Gespräche bin ich begeistert und finde die „Lange Nacht“ als Kombination aus Courage, Humor und Lebenserfahrung sehr gelungen.

Und wer sich fragt, woher „die langen drei Stunden reinen Zuhörens“ im eng getakteten Alltag genommen werden sollen: Er bügelt während dessen und sie repariert die ferngesteuerten Autos der Kinder, ist doch klar.

Nachtrag: Auch zwei Jahre später noch ist der Beitrag für Interessierte hier online.