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Was bedeutet heute Mannsein?

Zwischen Gleichberechtigung und Mannsein:
BRIGITTE-Autor Till Raether hat die Schnauze voll vom Gejammer seiner Geschlechtsgenossen.

Im folgenden Zitate aus dem Artikel, der hier komplett zu finden ist.

Eigentlich müssten die Männer mir leidtun. Denn es heißt ja, Männer neigten zum Selbstmitleid. Und ich werde ständig dazu eingeladen, mich in meiner Eigenschaft als Mann selbst zu bedauern: keine Woche, in der nicht ein Zeitschriften-Aufmacher erscheint oder ein Fernsehbeitrag läuft, in dem es um „Männer in Not“ geht, um „Schlappe Männer“, um Männer, die von den emanzipierten Frauen beruflich, gesellschaftlich und sexuell abgehängt werden, Männer, die mit ihren Chefinnen nicht zurechtkommen und die sich durch die Frauenquote bedroht fühlen. Männer, die finden, dass jetzt auch mal gut ist mit Frauenförderung und Gender-Mainstreaming. Ganz zu schweigen davon, dass wir armen Männer ungesünder leben, zu spät zum Arzt, viel zu spät zum Therapeuten gehen und früher sterben. Männer sind „in Gefahr“, Männer sind „verunsichert“, ja, es droht das „Ende der Männer“. Eigentlich müsste ich mich als solcher bedroht oder zumindest angesprochen fühlen. Tue ich aber nicht. Oder höchstens, indem ich darauf reagieren möchte mit einer einfachen Mitteilung: Es reicht mir. Weder möchte ich von irgendjemandem Mitleid, Zuspruch oder besondere Fürsorge, weil ich Mann bin. Noch habe ich Mitgefühl für jene Männer, die sich jetzt über den „Siegeszug der Frauen“, die „Gleichmacherei“ und ihren Machtverlust beschweren oder deren Verunsicherung von anderen beklagt wird.

(…)

Aus meiner Sicht hat etwa ein großer Teil der Männer überhaupt kein grundsätzliches Problem mit der Emanzipation der Frauen, mit gelebter Gleichberechtigung, mit alltäglicher Aufgabenverteilung jenseits ollster Gender-Klischees. Klar, diese Männer kämpfen und arrangieren sich und stecken zurück und sind zuweilen erschöpft und genervt, aber: Damit geht es ihnen genau wie den Frauen, so geht Leben. Ich nenne diese Männer zur leichteren Erkennbarkeit mal die „Jetzt-Männer“. Wir sind in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass es keine lebenswerte Alternative zur bedingungslosen Gleichberechtigung gibt, weil alle mehr Freiheit und mehr Freude am Leben haben, wenn alles geteilt wird.

(…)

In der aktuellen Debatte werden diese verschiedenen Gruppierungen aber immer schön zusammengerührt. Wer sind denn die „Männer in Not“? Jetzt-Männer brauchen kein Mitleid, weil die Art, wie sie leben, selbst gewählt ist, mit allen Frustrationen, allen Herausforderungen und Rückschritten. Und die anderen, die Vielleicht-Männer und die Ur-Männer? Ganz ehrlich, ich habe keine Lust mehr und kein Interesse daran, Mitgefühl und Verständnis für gesellschaftliche Gruppen zu haben, die sich einer so elementaren (und im Übrigen, wie es immer so schön heißt, „grundgesetzlich verankerten“) Tatsache wie der Gleichberechtigung widersetzen. Egal, auf welche Art: durch Blockieren, Nörgeln, passiven Widerstand, Zoten, Selbstzerstörung oder weinerliche und zugleich selbstbeweihräuchernde Väter-Bücher. Warum soll ich mich, erstens, mit diesen Leuten in einen Topf werfen lassen, und warum soll ich, zweitens, mich darum sorgen, ob sie von der gesellschaftlichen Entwicklung „abgekoppelt werden“, ob sie noch „mitkommen“ oder ob sie das alles „überfordert“? Sie sind doch selber ausgestiegen. Lasst sie doch. Schwierig ist der Weg mit ihnen oder ohne sie, warum also nicht gleich lieber ohne?

(…)

Wenn ich meine Privilegien checke, habe ich mein Leben lang ein Kästchen in jeder Box machen können: weiß, männlich, heterosexuell, gebildete Mittelschicht und so weiter. Ich habe immer zu denen gehört, die am wenigsten diskriminiert werden und die andere am meisten diskriminieren. Diese Erkenntnis hat auch mein Selbstbild als Mann bestimmt: Ich weiß, dass ich den allergrößten Teil meines Lebens fast überall ein etwas besseres Standing gehabt habe, weil ich als Mann in einer Männerwelt agiert habe. Jetzt aber wandelt diese Männerwelt sich langsam zu einer Menschenwelt, und plötzlich soll ich betrauern, dass die Privilegien von Männern wie mir weniger werden? Ich soll besorgt sein und einstimmen in den Chor derer, die nicht damit klarkommen, dass sie abgeben und kooperieren müssen?

Nein, ohne mich, dafür habe ich gar keine Zeit. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, die Nachmittage mit meinen Kindern, die Besäufnisse mit anderen Jetzt-Männern und die Gehaltsschecks meiner Frau zu genießen.

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Buchrezension: „Das Geschlechterparadox“ von Susan Pinker

Auf Zanzibar entdeckte ich in unserem kleinen, luxuriösen Strand-Resort am vorletzten Tag das Bücherregal, dessen Fund mich gut unterhielt und geistig rege hielt. Wer auch immer das Buch „Das Geschlechterparadox. Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen“ von Susan Pinker gelesen und dort für andere Gäste deponiert hat – es begleitete mich zum Strand und auf dem langen Rückflug.
Normalerweise schreibe ich nur über Bücher, die ich (fast) ohne Wenn und Aber empfehlen kann. Dies trifft auf den vorliegenden Band nicht zu, dennoch möchte ich mich damit auseinandersetzen.
Kurz gefasst stammt Susan Pinker aus der gleichen Familie, zu der Steven Pinker gehört – letzterer ist jeder Linguistin, Logopädin und vielleicht auch Pädagogin ein Begriff. Sie ist Psychologin und Journalistin und beschreibt sich als eine Feministin der 70er und 80er Jahre. Sie habe an die Gleichheit der Geschlechter geglaubt, bis sie festgestellt habe, dass Frauen und Männer in ihrer Genetik und Biologie fundamental unterschiedlich seien und letztendlich völlig verschiedene Lebensziele hätten, was als Folgerung darin münde, dass Männer Karriere machten und Frauen nicht. Weil Frauen nicht wollten. Oder weil sie es versuchten, schafften und dann auf dem Höhepunkt oder kurz vor dem Zenit ihres Erfolgs „etwas Sinnvolles, Soziales“ tun würden oder einfach bei ihren Kindern zu Hause sein wollen.
Elendig lange Kapitel über die Auswirkungen des bereits im Fötus wirkende Testosteron sowie die beispielhaft für das Männliche stehenden Asperger-Autisten haben mich sehr ermüdet und genervt. Dass die Dame in die gleiche Posaune bläst wie Luann Brizendine mit ihrer Denkweise über die deterministischen Auswirkungen des Körpers auf den Geist ist unübersehbar.
Doch so sehr es mich fuchsig macht, wenn eine Dame sich als Feministin darstellt, um dann zu erzählen, dass Frauen ein gemütliches Familienleben der harten Karriere vorziehen und es aufgrund ihrer Biologie auch einfach das Schlauste für sie ist: Manches hat mich zum Nachdenken gebracht.
Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass es die viel zitierte gläserne Decke gibt, dass nach wie vor viele Männer durch Beziehungen und Gefälligkeiten Karriere machen und dass Frauen auf bestimmten Posten einfach nicht erwünscht sind. Ja, ich bin für die Quote. Völlig egal, was die Männer davon halten: Wer weiß und männlich ist, hatte mit seinen Geschlechtsgenossen so viele Jahrtausende das Ruder in der Hand, dass sie keinerlei Grund zur Beschwerde haben – weder sachlich noch emotional auf Bild-Zeitungs-Niveau.
Von daher stimme ich der Kernaussage des Buches, dass Frauen überall umfassend gefördert würden, die Männer überholten und dann im Laufe der Karriere ausstiegen, um „etwas Sinnvolles, Soziales“ zu machen, nicht zu. Es gibt hinreichend Frauen, die mehr Einfluss nehmen möchten, was ihnen bisher verwehrt bleibt; und die weit und breit keinen Mentor und keine Mentorin haben, die ihnen den Weg ins Eckbüro ebnen.

Dennoch stimmt es mich nachdenklich, dass eine der Thesen stimmt:
Männer suchen sich Jobs, die Geld und Aufstieg verheißen,
Frauen suchen sich Jobs, die erfüllend sind und auch in Teilzeit machbar.
Kurz: Männer arbeiten in Industrie und Wirtschaft, sitzen viel im Büro und verdienen viel, Frauen arbeiten eher für soziale oder staatliche Träger sowie unbezahlt für Kinder und zu pflegende Angehörige und verdienen wenig.
Das ist bedauerlicherweise eine Tatsache, egal wie blöd die sonstigen Thesen der Autorin sind. Nun behauptet sie, dass es daran läge, dass Männer einen klaren Plan in Bezug auf ihre Tätigkeit und ihr Vorankommen hätten und Frauen keine oder nur diffuse Vorstellungen von ihrer Arbeit und ihrer Zukunft. – Was dadurch unterstützt wird, dass es die Frauen sind, die für die Kinder beruflich pausieren und für die zu pflegenden Angehörigen später ebenfalls. Das bedeutet, dass vorrangig Frauen Teilzeit arbeiten, wodurch sie bezüglich des Einkommens und der Karriere weiterhin im Rückstand sind und diesen nur selten aufholen können.
Frauen handeln in ihren Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen, flexibler:
Sie wechseln die Arbeitsstelle, wenn es ihnen keine Freude mehr macht, wenn sie ihre Aufgaben als sinnlos empfinden, wenn sie moralisch nicht den Praktiken des Arbeitsgebers zustimmen oder wenn sie sich um die Familie (Babies, Kinder und Senioren) kümmern möchten. Damit ist klar, dass gerade Lebensläufe und strategischer Aufstieg in die höchste Chefetage selten entstehen.
Traurig für die geringe Zahl der Frauen in hohen Positionen, wo Entscheidungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik fallen, aber wahr.

Nun stellt sich die Frage:
Warum hat mein Mann einen technischen, gut bezahlten Beruf, und ich bin unterbezahlte Logopädin?
Klar, weil er der mathematisch Begabte ist und ich die sprachlich Begabte.
Weil Tätigkeiten, die vorrangig von Männern ausgeübt werden, weiterhin bedeutend besser bezahlt werden als Tätigkeiten, die vorrangig von Frauen ausgeübt werden.
Pilot, Architekt, Jurist – Pädagogin, Arzthelferin, Friseurin.
Mir fällt etwas auf – das Gefälle.
Leider können wir nicht feststellen, was Ursprung und was Folge ist:
Mögen Frauen schlecht bezahlte Berufe so gern, weil sie sozial und kreativ sind,
oder sind soziale und kreative Berufe schlecht bezahlt, weil sie vorrangig von teilzeitarbeitenden und genügsamen Frauen ausgeübt werden?
So oder so gibt es eine klare Verteilung, welche Berufe von welchem Geschlecht ergriffen werden, sowie welches Geschlecht Vollzeit arbeitet und welches von einer Teilzeit-Stelle in die nächste rutscht.
Bedauerlicherweise sehe ich nicht, dass sich das langfristig ändert.
Ganz ehrlich, selbst wenn meine Ehre als Feministin auf dem Spiel steht – ich habe trotzdem keine Lust auf MINT. Und ob ich Karriere machen wollte, wenn ich könnte?
Mehr Geld möchte ich haben, um endlich angemessen honoriert statt mit Peanuts abgespeist zu werden. Mehr Einflussnahme und Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht automatisch unbezahlt und damit „ehrenamtlich“ laufen, auch. Aber Aufsteigen, um schließlich in gehobener Verwaltungsposition zu sitzen? Das sieht für mich nach keiner Verbesserung aus.

An dieser Stelle halte ich die Frage fest, ob eine klassische Karriere überhaupt erstrebenswert ist.
Viele Frauen finden es ja offensichtlich nicht, sonst würden sie nicht Floristin oder Hebamme werden. Dennoch gibt es genug Frauen, die beruflich aufsteigen wollen und von der Möglichkeit eines erfolgreichen Lebenslaufs hin zu einer einflussreichen Position von den Entscheidungsträgern abgehalten werden.
Davon unabhängig habe ich in meiner Generation den Eindruck, dass Männer ebenfalls keine Lust auf Karriere haben – und auf den Trichter ist Susan Pinker noch nicht gekommen. In ihrem Buch wollen Männer aufsteigen und Frauen sinnerfüllt leben – in meiner Generation hat kaum Jemand Pläne, die weiter als ein paar Jahre gehen. Teilzeit wird inzwischen auch von Männern gewünscht, um mehr Raum für persönliche Interessen zu haben. Start-Ups funktionieren ebenfalls nur, wenn Menschen Ideen umsetzen und dafür ihr festes Gehalt riskieren – ein Merkmal unserer Generation bei beiden Geschlechtern. Dass Familienarbeit geteilt wird, spricht sich bei den jüngeren Männern langsam herum – viel zu langsam für eine wirkliche Revolution gegen alte Rollenbilder, aber immerhin, es ist (gemäääächlich) im Fluss. „Spaß haben und die eigenen Tätigkeiten als sinnvoll erleben“ zählt längst auch für Männer, und das jenseits von Strip-Club-Besuchen der Mittfünfziger Chefriege.

Die Generation Y gilt als vergleichsweise gut ausgebildet, oft mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss.[2] Sie zeichnet sich durch eine technologieaffine Lebensweise aus, da es sich um die erste Generation handelt, die größtenteils in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist.[3] Sie arbeitet lieber in virtuellen Teams als in tiefen Hierarchien. Anstelle von Status und Prestige rücken die Freude an der Arbeit sowie die Sinnsuche ins Zentrum. Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen der Generation Y: Sie will nicht mehr dem Beruf alles unterordnen, sondern fordert eine Balance zwischen Beruf und Freizeit. Nicht erst nach der Arbeit beginnt für die Generation Y der Spaß, sondern sie möchte schon während der Arbeit glücklich sein – durch einen Job, der ihnen einen Sinn bietet. Sie verkörpert einen Wertewandel, der auf gesellschaftlicher Ebene bereits stattfindet, den die jungen Beschäftigten nun aber auch in die Berufswelt tragen.

Wikipedia, 13.07.2014,  20.44 Uhr

In meinen Ohren klingt es so, als seien sich die Geschlechter meiner Generation an dieser Stelle sehr einig: Das wäre uns allen in Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel sehr zu wünschen.

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Kindermund: Gleiches Recht für alle!

Aus meinem Alltag als Logopädin:                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     
Wir halten uns meiner Meinung nach zu lange mit einer Aufgabe auf, ohne dass viel Fortschritt passiert. Also dränge ich ungeniert darauf, die Übung zügig zu beenden.
Das passt dem Kind nicht, weil in seinen Augen gerade alles so schön gemütlich ist. Also fragt es mich leicht anklagend:
„Der kuschelt sich da ein, oder dürfen Hasen keine Auszeit haben?!“

aufmerksam

Kindermund: Bonbontaschentücher

Aus meinem Alltag in der logopädischen Praxis:

In einem mir nicht mehr bekannten Zusammenhang erzählte ein Kind etwas von „Bonbontaschentüchern“ und meinte Bonbonpapier.

Eine große Schwester, die sich zusammen mit ihrer Mutter im Therapieraum aufhielt, um dem kleinen Bruder Sicherheit zu geben, musste zeigen, wie schlau sie ist. Also kommentierte sie das „Schneckenrennen“, während ich das gefühlt millionste Mal in meiner Arbeitstätigkeit die Verbzweitstellung hochfrequent anbot und modellierte.
Die Schwester des kleinen Therapiejungen:
„Der Erste ist am Schnellsten und der Letzte ist am Langsamsten.“
Tschä, damit ist wohl alles gesagt.

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Kindermund: Neue Gentechnik

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin:

Wir spielen mit meinem riesigen Fundus an täuschend echt aussehendem Obst und Gemüse Einkaufen, während ich Input zum Thema „Verbzweitstellung“ gebe.
Das Kind äußert Wünsche: „… und hier auch…. eine Apfelzitrone (Apfelsine)?“

Ich frage eine Sechsjährige, wie gut sie denn im Urlaub an die korrekte Zungenruhelage gedacht hat. Sie schaut mich mit großen Augen an und erklärt es mir:
„Weil da hatte ich so viel Spaß, da konnte ich gar nicht dran denken!“

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Gegen die Sozialisation durch Rollenklischees: Puppenhaus spielen einmal anders!

Meine Reaktion auf das Anschauen einer Reportage gestern:
Heute morgen stand ich mit einem kleinen Mädchen, das zum Erstkontakt kam, vor dem Spieleschrank. Ich hatte ihr gesagt, dass wir beide mal schauen, was sie sich zum Spielen aussuchen mag, damit ich erstmal mit Mama reden kann. Nun zeigte ich ihr im Schrank sowohl die Autos und die Baustelle und die Murmelbahn als auch das Puppenhaus, damit sie sich völlig frei von Erwartungen an das Spielverhalten kleiner Mädchen etwas aussuchen kann. Leider waren ihr die Baustelle, die Autos und die Murmelbahn total egal – sie wollte das Puppenhaus. Nun ja, selbst schuld, wenn man eines besitzt…..
Also führte ich mit der Mutter die Anamnese durch und stand anschließend während des Spielens zum Kontaktaufbau mit dem kleinen Mädchen vor der schwierigen Aufgabe, gender-pädagogisch sinnvoll zu spielen.

Dazu ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass anhand der Impulse, die die Erwachsene zu Beginn des Spieles gibt, ganz unterschiedliche Scripte entstehen können – zwei mögliche Szenen der gleichen Ausgangslage:
Szene 1: „Komm, wir spielen mit dem Puppenhaus! Die Mama kocht und der Papa sitzt auf dem Sofa und schaut fern!“
Szene 2: „Komm, wir spielen mit dem Puppenhaus! Die Mama repariert den Fernseher und der Papa kocht so lange schon mal das Essen!“

Ha, es wäre doch gelacht, wenn man derart Mädchen-prädestiniertes Spielzeug nicht verwandeln und damit den alten Geschlechter-Rollen den Garaus machen kann!
Glücklicherweise hatte das kleine Mädchen nichts gegen diese Aufgabenverteilung, sodass Mama selig am Fernseher schraubte und Papa solange Möhren kochte. Bestens.
Jetzt braucht es „nur noch“ Wirklichkeit zu werden.

 

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Kindermund: Fertig! Alles aufgetrunken

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ein Junge, 5 Jahre alt, sehr nachdrücklich:
„Das Pferd hat alles aufgegessen. Und aufgetrunken.“

Ich habe der Mutter eines Kindes versprochen, mit der Klassenlehrerin zu telefonieren, sobald sie und ich im Gespräch die nächsten Therapieschwerpunkte geklärt haben. Währenddessen macht sie (Muttersprache nicht deutsch) ihrem Ärger über die mangelnde Organisation der Lehrerin Luft:
„Das muss ich doch alles planieren! Wie kann ich planieren, wann ich den Füller kaufe, wenn sie mir kein Datum gibt, bis wann wir ihn haben sollen?“

Ein Mädchen im Kindergartenalter: „Erst haben die das Lagerfeuer angezündet. Und dann haben sie es wieder ausgezündet.“

Ein Junge, 5 Jahre alt, schaut nach dem Verabschieden beim Hinausgehen über die Schulter und sagt in sehr fürsorglichem Ton zu mir: „Mach’s gut!“

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Meilensteine

In dieser Woche habe ich im Elterngespräch in der logopädischen Stunde das erste Mal einer Mutter ganz klar und direkt gesagt, dass ich von ihrem Vorgehen ihrem Kind gegenüber abrate.
Bisher habe ich Verbesserungsvorschläge in Formulierungen wie „Schön, dass sie mit ihr/ihm dieses und jenes tun, aber noch besser ist es, wenn Sie…..“ verpackt. Und dann folgte meine Erläuterung, was dem Kind angesichts seines aktuellen Entwicklungsstandes an Unterstützung gut täte.
Leider habe ich gemerkt, dass viele Mütter nicht gut zuhören und auf „pädagogisch vorsichtige“ Einwände nicht reagieren. Oder nur die Freundlichkeit in meiner Stimme hören und nicht die konstruktiven Hinweise, die ich ihnen auf der sachlichen Ebene übermitteln möchte.
So sagte ich vor Kurzem das erste Mal deutlich und direkt, ohne nette Rhetorik, dass das Kind eine andere Förderung benötigt als die, die die Mutter ihm angedeihen lässt.
In diesem Fall erklärte ich der Mutter, dass es dem Entwicklungsstand ihres Sohnes nicht entspricht, Zahlen und Buchstaben zu lernen: Er ist mit fast vier Jahren auf dem Stand eines knapp Dreijährigen und kann beispielsweise Pfanne und Topf weder benennen noch auseinander halten, obwohl wir seit der ersten Stunde immer wieder kochen spielen (mit spezifischem Input meinerseits). Ein Kind, das nur wenige Nomen kennt, das in Bezug auf Verben viel Input braucht und diese trotzdem nur im Ausnahmefall behält, das ist definitiv nicht reif für abstrakte Inhalte wie Zahlen und das Alphabet. So habe ich das erste Mal sehr deutlich das Bild der Mutter vom kognitiven Status ihres Sohnes demontiert. Selbstverständlich ließ ich sie erst gehen, nachdem wir eine Perspektive für die Zukunft entwickelt hatten.
Bisher hatte ich immer Angst, Mütter zu verletzen und zu verunsichern. Da ich gemerkt habe, dass es manchmal ohne die unverhüllte Wahrheit nicht vorwärts geht, werde ich nun öfter den Mut haben, beschönende und vorsichtige Formulierungen wegzulassen.
Unabhängig davon erschreckt es mich, wenn Mütter „objektive Leistungen“ wie zählen und schreiben wichtiger finden als Wortschatz und Satzbau, von Artikulation ganz zu schweigen.
Und es irritiert mich jedes Mal wieder neu, wenn Mütter meinen, ihr Kind fördern zu müssen und es heillos überfordern. Wenn ein Kind, dessen Mutter polnisch und dessen Vater türkisch spricht, im Kindergarten auf deutsch klarkommen muss, ist das anstrengend genug. Wenn es aufgrund des Ehrgeizes der Mutter zusätzlich in die Englisch-Stunde gesteckt wird, dann bin ich einfach sprachlos angesichts des kognitiven Pensums des Kleinen und der fehlenden Würdigung der Mutter genau dieser täglichen Leistung gegenüber.

Damit kein falsches Bild entsteht:
Selbstverständlich gibt es auch viele Mütter, die ihren Kindern ein ganz natürliches Vorbild sind und Bildung kreativ und alltagsnah statt ehrgeizig betreiben. Es freut mich immer wieder, mit Müttern zusammen zu arbeiten, die ganz selbstverständlich und entspannt als Co-Therapeutinnen und Expertin für ihr Kind auftreten. Die kompetent Informationen weitergeben, ebenso wie sie aufmerksam Fragen stellen oder sich Übungen erklären lassen.