aufmerksam, glaubhaft

Die Sandkasten-Fabrik: Ein Märchen über den Sinn des Lebens


Sie saß in der Sandkiste und backte Sandkuchen, die sie in einer langen Schlange auf dem hölzernen Rahmen aufreihte. Die Serie der Sandkuchen wuchs, während ich sie fragte, was sie mit all diesen blassen Gebilden wollte. „Ich backe Sandkuchen, weil ich das Geld brauche, um die Miete zu bezahlen. Ich bezahle die Miete, um wohnen zu können. Mit dem Geld bezahle ich auch mein Essen, meine Kleidung, und was übrig bleibt, nehme ich für Hobbies und zum Reisen.“
Ja, sicherlich, alle müssen arbeiten, um sich neben Geld auch einen Platz in der Gesellschaft zu verdienen. Klar. Aber wie sinnvoll ist ausgerechnet Sandkuchen backen? Gut, es garantiert ein vernünftiges Einkommen und Sandkuchen-Kauffrauen haben ein stabiles Ansehen in der Öffentlichkeit. Dennoch leben wir alle auch ohne Sandkuchen gut weiter. Sandkuchen sind verzichtbar, so wie gefühlt 80% all der Konsumgüter, die täglich auf den Markt gepumpt werden.
„Aber meine Sandkuchen-Firma hat eine große Lobby, und es gibt Menschen, zu deren Glück und Gesundheit wir damit effektiv beitragen.“ Mag sein, dass die Aufsichtsräte das behaupten und dass es genügend Absatzmöglichkeiten für Sandkuchen gibt. Aber wie sinnvoll ist das Backen und Verkaufen von Sandkuchen? Du bist doch so viel mehr als die Summe deiner Arbeitsstunden, um den Sandkuchen-Vertrieb reibungslos laufen zu lassen!
„Ganz offensichtlich verkauft sich Sandkuchen gut!“ Ja, natürlich, so gut wie alles verkauft sich gut, ob Toilettenpapier oder Grippemittel, aber ist es wirklich sinnvoll, dass du deine Lebenszeit in Sandkuchen investierst?


„Meine Arbeitszeit, nicht meine Lebenszeit! In meiner Freizeit bin ich schließlich ganz anders!“ Ja, eben, das ist ja das Schlimme! Warum kannst du in deiner Freizeit ganz anders sein? Weil du im Beruf offensichtlich nicht du selbst bist! Oder nur eine geschäftsmäßige, scheinbar erwachsene Version deiner selbst.
Fragst du dich nie, wozu du auf der Welt bist?
Was dein Auftrag ist, in der Zeit, die du auf diesem Planeten unterwegs bist?
Welche Talente du hast und welche Lebensaufgabe aus diesen Begabungen wächst?
Wenn du stirbst, möchtest du dann sagen, dass du x-tausend Sandkuchen vermarktet und verkauft hast?
War das alles?

Sicher, du hast gelegentlich gespendet, hast nette Geburtstagskarten an alte, halb vergessene Verwandte geschickt, hast bei den Nachbarn gelegentlich babygesittet. Du hattest ein vernünftiges, anständiges Leben. Warst manchmal hilfsbereit, wenn es zeitlich gerade passte. Ein guter Mensch, alles in allem.
Aber hast du dein Leben bis zum Letzten ausgekostet, alle Fähigkeiten eingesetzt, diese begrenzte Zeit bunt und wertvoll für dich und andere zu gestalten?
Hat sich dein Leben für andere Menschen gelohnt?
Deine Fähigkeiten sind ein Geschenk für dich und für andere. Hast du sie genährt und zum Blühen gebracht oder achtlos am Rand liegen gelassen, weil sie scheinbar nicht in heutige Wirtschaftskreisläufe passten?
Hast du nach deiner eigenen Melodie getanzt und dir deinen persönlichen Weg durch das Leben gebahnt?
Oder hast du getan, was getan werden musste, und deine Lebenszeit säuberlich verwaltet?


Wozu bist du hier?
Wer soll dich eines Tages vermissen und warum?
Was möchtest du hinterlassen?
Denn Sandkuchen, das sage ich dir, fangen an zu trocknen, sobald sie die Form verlassen und in einer Reihe um den Sandkasten aufgereiht stehen. Sie trocknen, sie rieseln, ihre sauberen Ränder verwischen sich. Der Sand rinnt von oben hinab und sammelt sich rund um die Basis, bis alles soweit zusammen sackt, dass ein sandiger Haufen zurück bleibt. Wenn es regnet, ein müder Matschfleck.
Und das ist ein Lebenswerk?

aufmerksam, glaubhaft

Einen Schritt vor und zwei zurück

Von einem Einjährigen wurde mir eine Lektion erteilt:
Während ich noch beschäftigt war, die Karre im Treppenhaus zu platzieren, fing er an, die Treppe hinauf zu krabbeln. Zu Beginn wirkte es so, als würde er sich mangels etwas Spannenderem die Zeit vertreiben. Er sortierte Knie, Füße, Hände und deren Lage zur Treppenstufe und war vorrangig mit sich selbst beschäftigt. Langsam schien das Hinaufklettern interessant zu werden: So schaffte er robbend zwei Stufen, bis er sich überlegte, dass er sich an den Streben des Geländers aufrichten könnte. Wer nicht laufen kann, schafft im Stehen keine Treppe hochzusteigen, so setzte er sich hin. Und krabbelte eine Stufe wieder hinunter. Zog sich erneut am Geländer hoch, stand wackelig, kam nicht weiter, sank auf die Knie und robbte die Stufe wieder hinauf. Sehr, sehr langsam schaffte er es in den ersten Stock, ich stand jeweils „Auffang-bereit“ hinter ihm. Kaum dass er vor der richtigen Wohnungstür ankam und ich sie weit öffnete, wackelte er auf allen Vieren über den Treppenabsatz und begann den Aufstieg zur nächsten Etage. Wieder mit vielen Fehlversuchen, sich rückwärts hinab rutschen lassen, vorwärts krabbeln, seitwärts hochziehen und doch loslassen. Mit sehr viel Geduld kam er auf dem Treppenabsatz an, wendete und nahm die nächste Etappe in Angriff. Zielstrebiger, mit ruhigen, inzwischen fast gleichmäßigen Bewegungen. So erklomm er Stockwerk um Stockwerk, bis er unter dem Dach angekommen war. Dort wollte er rückwärts die Treppe wieder hinunter rutschen, wovon ich ihn besser abhielt – abends ein Kind mit Gehirnerschütterung seinen Eltern zu übergeben ist nicht die beste Referenz. Also nahm ich ihn auf den Arm, lief durch das Treppenhaus und wollte ihn in die Wohnung bringen, als er vor der Tür darauf bestand, sich umzudrehen und direkt sämtliche Treppen wieder hinauf zu krabbeln. Leider ließ ich ihn auch beim zweiten Mal im Dachgeschoss nicht rückwärts hinab kriechen, was definitiv seine Triumph schmälerte…

Mich hat dieses Erlebnis an zwei Dinge erinnert:
Zum Einen zeigt es mir sehr deutlich mein eigenes Leben: Einen Schritt vor und zwei zurück, bis es langsam rund läuft. Aber auch dann passieren Ereignisse, die sich anfühlen können, als ob mir das Ruder wieder entgleitet und meine Zielgerade abermals aus den Augenwinkeln verschwindet (So, wie ich den Kleinen die Treppe hinunter trug, statt in rückwärts rutschen zu lassen, was seinen Erfolg erst vollständig gemacht hätte).
Egal, ob es um berufliche Ziele, das Abgewöhnen von Schwächen, das Aufbauen von Stärken oder den Alltag in der Ehe geht: Von einer glatten Aufwärtskurve wie in einem Erfolgsdiagramm bin ich weit entfernt. Eher ist mein Leben ein holpriges Zickzack, das voran geht, aber doch viel Geduld benötigt. Das nennen wir „menschlich“. Auch wenn wir uns selbst und allen Mitmenschen gern vorgaukeln, wie viel wir schaffen und wie großartig wir sind: Vieles davon ist doch meist Fassade. Hinter die selbst wir als Hauptperson nur selten schauen…
Ebenso ist es menschlich, dass wir zu Beginn oft nicht wissen, was wir wirklich wollen. So wie der Lütte am Anfang mehr damit beschäftigt war, sich neben und auf der Treppe zu bewegen, als vorwärts zu kommen, müssen wir unsere Richtung erst finden. Wenn diese bestimmt wurde, ist die Frage, wie wir den Weg gestalten: Versuchen wir es auf die perfekte Weise und brauchen dafür viel Energie – oder krabbeln wir mittelmäßig, aber dafür gleichmäßig voran? Lassen wir uns ablenken, verzetteln wir uns und rutschen plötzlich rückwärts wieder zwei Stufen hinab? Oder behalten wir das Ziel fest im Auge, auch wenn wir uns an den Kanten der Treppe unterwegs wund reiben? Erreichen wir das Ziel? Wie sieht es dann in und um uns aus? Und was folgt danach?

Zum Anderen musste ich, während ich begleitend hinter dem Kleinen herging, an Gott denken. So sieht er mich durch mein Leben krabbeln. Er sieht meine Fortschritte, meine Umwege und meine Rückschritte. Er beobachtet, wie ich an Tempo gewinne – und wie ich mich verwirren lasse und verunsichert sitzen bleibe. Wie Weisheit sich aufbaut – und manchmal mit einer dummen Fehleinschätzung wieder den Rückzug antritt. Er freut sich über meine Erfolge und weiß doch, was hinter der nächsten Ecke wartet. Er ist neben, hinter und vor mir. Ob er mich zu meinem Schutz auf den Arm nimmt und eine Abkürzung einschlägt, weiß ich nicht. Aber ich hoffe, dass Gott mich nach meinem großen Triumph davon abhält, die Blumentöpfe der Nachbarn im Dachgeschoss zu demolieren, so wie der Kleine es vorhatte, bevor ich ihn schnappte 😉 .

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Der Seestern

Als der alte Mann bei Sonnenuntergang den Strand entlang ging, sah er vor sich einen jungen Mann, der Seesterne aufhob und ins Meer warf.

Nachdem er ihn schließlich eingeholt hatte, fragte er ihn, warum er das denn tue. Die Antwort war, dass die gestrandeten Seesterne sterben würden, wenn sie bis Sonnenaufgang hier liegen blieben.

„Aber der Strand ist viele, viele Kilometer lang und tausende Seesterne liegen hier“, erwiderte der Alte. „Was macht es also für einen Unterschied, wenn du dich abmühst?“

Der junge Mann blickte auf den Seestern in seiner Hand und warf ihn in die rettenden Wellen.

Dann meinte er:
„Für diesen einen macht es einen Unterschied!“

 

(Verfasser unbekannt)

 

DSCN8331Blick aus dem Darsser Leuchtturm

 

Vielen Dank an eine Freundin, bei der ich die Geschichte an der Pinnwand entdeckte.