Die über achtzigjährige Lillie, eine ehemalige Sklavin der amerikanischen Südstaaten, äußert sich in diesem Roman einer jungen Frau namens Alice gegenüber so:
Lillie: „Maggie ist hierher gekommen, um für Gott zu arbeiten, aber das will er nicht.“
Alice: „Nicht? Ich dachte, wir sollen alle für Gott arbeiten?“
Lillie: „Er will, dass wir mit ihm arbeiten, nicht für ihn.“
Alice, eine junge Frau, lebt in Illinois kurz vor dem zweiten Weltkrieg ein gemütliches Leben. Die Wirtschaftskrise betrifft sie (noch) nicht, sie hat eine Anstellung in einer Bibliothek, liebt Bücher über alles und geht mit Gordon, einem anständigen jungen Mann aus – eine Verlobung sollte demnächst folgen. Bis Gordon ihr erklärt, dass sie einfach zu verträumt und versponnen sei und mehr in ihrer Lektüre weile denn am wahren Leben teilnähme. Er habe einen Betrieb zu übernehmen (das Bestattungsinstitut seines Vaters) und brauche eine praktisch handelnde Frau. Außerdem müssen angesichts der Wirtschaftskrise in der Bibliothek Stellen eingespart werden, und da Alice als Letzte eingestellt wurde, muss sie als Erste gehen.
Wie sie von Illinois in ein verschlafenes Nest in den Wäldern und Bergen Kentuckys gerät, lasse ich an dieser Stelle aus – es reicht, zu wissen, dass sie mit ihren hochfliegenden Plänen am Rande der Zivilisation landet und dort gleich mit körperlicher Arbeit und verschiedenen geheimen Missionen betraut wird, deren Sinn und Zweck ihr nicht verraten werden. An erster Stelle wird sie von Lillie, einer alten farbigen Frau, sowohl zu waghalsigen Aktionen überredet als auch von ihr in der Kunst des (Über-)Lebens unterrichtet: Angefangen beim Feuermachen und Brot backen über das Wäsche waschen im Zuber bis hin zu alltagsnahem Glauben.
Lillie:
„Jesus sagt, dass wir beten sollen: ,Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.` Er weiß nämlich: Wenn wir nicht jeden Tag darum bitten und uns daran erinnern, dass wir vergeben sollen, dann tun wir es nicht. Und ich brauche seine Hilfe, Schätzchen. Ohne sie könnte ich nicht all den Leuten vergeben, die mir unrecht getan haben. Und wenn Jesus mir nicht geholfen hätte, hätte ich ganz bestimmt nicht dem Mann vergeben können, der meinen Mann und meinen Sohn verkauft hat und mir nicht sagen wollte, wo sie sind. Oh nein.“
(…)
„Halt nicht an deinem Groll fest, Schätzchen,“ sagte sie stattdessen.
„Achte darauf, dass du diesen Sack jeden Abend ausleerst, bevor du schlafen gehst. Das steht auch in der Bibel, weißt du. Du sollst die Sonne nicht untergehen lassen, während du noch zornig bist.“
Diese Lektüre habe ich an einem Urlaubstag komplett verschlungen und empfehle sie weiter – Realitätssinn hin oder her, ich habe mich gut unterhalten gefühlt und außerdem eine große Portion „Herzensbildung“ abbekommen.