aufmerksam, feminin, glaubhaft

Menstruation. Und raus bist du.

Ein Film aus Indien hat dieses Jahr bei den Oscars und weiteren Filmfestspielen diverse Preise abgeräumt. Im Kurzfilm „Period. End of sentence“ wird das umfassende Tabu der Menstruation in Indien dargestellt und eine Lösung gezeigt:
Dort werden Mädchen nicht aufgeklärt, weder über die hormonellen Abläufe des Zyklus noch über Hygiene, Empfängnisverhütung oder Geburt. Sie gehen während der Blutung nicht in die Schule, sodass sie im Lernfortschritt hinter ihren Mitschülern zurückbleiben und die Abschlussprüfungen nicht oder nur mit schlechten Ergebnissen schaffen. Entsprechend gering sind ihre Chancen auf einen weiteren Schulbesuch sowie auf dem Arbeitsmarkt.
Die Mädchen werden in diesen Tagen von ihren Angehörigen nicht berührt, was die Verunsicherung verstärkt. Auch Frauen erleben bis heute, dass ihre Ehemänner sie meiden, während sie bluten. Da beide Geschlechter weder aufgeklärt noch zu einem sachlichen, hygienischen Umgang angeleitet werden, wuchern Mythen und Lügen um die Periode.
In den USA sammelten Mädchen Geld, um in einem abgelegenen indischen Dorf eine Produktionsstätte für biologisch abbaubare Hygieneprodukte aufzubauen. Einerseits werden im Rahmen des Projekts die Mädchen und Frauen über ihre körperlichen Vorgänge aufgeklärt, andererseits bringt ihnen die Arbeit in der Fabrik Geld. Auch, wenn es erstmal als „schlechte Arbeit und schlechtes Geld“ von vielen Dorfbewohnern angesehen wird, bleiben die Frauen hartnäckig. Parallel muss sich die Dorfgemeinschaft notgedrungen damit auseinander setzen, wofür denn eigentlich diese „Windeln nicht für Babies“ produziert werden. Und dass die Masche mit der permanenten Scham nicht mehr zieht, wenn die Frauen sich weigern, einen natürlichen Vorgang des Körpers als „böse und tragisch“ anzusehen.

Die Macherinnen über den Film
Eine Dorfbewohnerin über ihr Arbeit in der Fabrik
Kickstarter Kampagne der amerikanischen Mädchen für die Monatshygiene indischer Mädchen

Was passieren würde, wenn indische Jungs menstruieren: Sie wären der Held

Waschbare Binden für Frauen in Entwicklungsländern nähen

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Verhütung ohne Chemie

Vor zwei Jahren schrieb ich einen Artikel über die absolut sichere, gut erforschte Möglichkeit, jenseits der Gewinnoptimierung von Pharmakonzernen und GynäkologInnen eigenverantwortlich zu verhüten: „Frauengesundheit“

Nun zeigte mir mein Verlobter einen Beitrag auf Spiegel.de zum Thema „Natürlich verhüten“, der endlich einen Beitrag leistet, die Methode aus der „Nischenposition“ in die Öffentlichkeit zu rücken:
Sämtliche Verhütungsmethoden, die Geld bringen, werden allerorten vermarktet und reihenweise verschrieben (Im Zweifelsfall wird die Patientin so lange überredet, bis sie glaubt, dass es in der modernen Welt wirklich nicht ohne den Dauerkonsum der Pille geht).
Da ist die „Sensiplan“-Methode, die auf der täglichen Messung der Basaltemperatur („Aufwachtemperatur“) und dem Beobachten des Zervixschleims (wahlweise des Muttermundes) besteht, einfach nicht lukrativ: Die Frau braucht lediglich ein zuverlässiges Thermometer, ein Handbuch und ein Blatt Papier mit der nötigen Tabelle, in die eingetragen wird. Jahrzehntelang an der Universität Heidelberg entwickelt und erforscht, auf der Basis der eingesandten Daten von 40.000 Zyklusauswertungen und mit einem Pearl-Index von 0,4 (die Pille liegt bei 0,3 bis 0,9) versehen – das ist eine Methode, die mehr Aufmerksamkeit verdient.
Ich habe grundsätzlich etwas gegen marktführende Großkonzerne, gegen Lobbyisten und gegen Pharmakonzerne. Im Falle der Pille sehe ich alle Stichpunkte in Personalunion vereint – schon allein das regt meinen Widerstand an, von Nebenwirkungen und Verhütungsunfällen „trotz Pille“ ganz abgesehen.

Wer die Pille nehmen möchte, nur zu – jede Seite hat ihre Argumente und ich habe nichts gegen Frauen, die sie nehmen, sondern gegen das, was dahinter steckt.
Der Vorteil der SensiPlan-Methode ist, dass die Frau nicht in das körperliche Geschehen eingreift und durch die Beobachtung ihrer Körpersignale lernt, wie der eigene Zyklus funktioniert. Diese Erkenntnis kann einem niemand beibringen oder „verkaufen“, weil sie nur durch Erfahrungen mit dem eigenen Körper entsteht. Ich beobachte, dass die Lebensqualität deutlich steigt: Wer weiß, was wann im eigenen Körper passiert, was im Bereich des persönlichen Normalen liegt und was nicht, erlebt den Wechsel der Hormone im Laufe des Monats und des Lebens als Frau deutlich gelassener.

 

Ähnliche Artikel zu dem Thema sind hier zu finden: Die Pille für den Mann sowie Tricks gegen PMS

aufmerksam

Ein Satz, der mich erfreut – Siebter Teil

Szenen aus meiner Tätigkeit als Logopädin

Ein alleinerziehender Vater verabschiedet sich am Ende der Therapie von mir:
„Danke, was Sie für meinen Hossam* getan haben. Wir beide waren ja nicht immer einer Meinung – aber, Frau Ku`eke, eins muss ich Ihnen lassen: Sie sind mit vollem Einsatz dabei und meinen Ihre Aufgabe hier wirklich ernst. Respekt.“

* Namen wie immer geändert

aufmerksam, glaubhaft

Tod und Sterben – Gespräch mit einem Kind

Vor längerer Zeit schrieb ich einen Bericht über das Buch „Weltwissen der Siebenjährigen“ von Donata Elschenbroich, in dem eine der Thesen war, dass sich jedes Kind mit der Sterblichkeit auseinandersetzen sollte.
In der vergangenen Woche entspann sich zufällig ein Gespräch über Tod und Sterben mit einem Fünfjährigen, der bis vor einiger Zeit so schlecht deutsch sprach, dass längere Unterhaltungen kaum stattfanden.
Aus der Erinnerung greife ich einige seiner Äußerungen auf, das Gespräch ist an dieser Stelle nicht vollständig.

Er: „Wenn ich tot bin, komm ich dann ins Krankenhaus?“
Ich: „Nee, dann können die Ärzte im Krankenhaus nichts mehr machen. Dann kommst du, hm, in die Erde.“ Ich hatte Angst, ihm davon zu erzählen, dass er in einen Sarg genagelt wird, deshalb ließ ich es weg, was sich sofort rächte:
Er: „Iiiiieh, nein, dann krieg ich Sand in den Mund!“
Ich: „Nee, kriegst du nicht, aber du merkst dann sowieso nicht, was mit dir passiert.“
Er: „Und was mach ich dann?“
Ich: „Nichts. Die ganze Zeit: Nichts. Aber das merkst du auch nicht, weil du tot bist – dann fühlt man nicht, dass man nichts macht.“
Er: „Und morgen?“ Er meinte den auf den Tod folgenden Tag.
Ich: „Dann machst du auch nichts und spürst auch nichts davon.“
Er: „Und dann morgen?“
Ich: „Wenn du erstmal tot bist, bleibt das so.“

Er: „Müssen Mama und Papa auch sterben?“
Ich, zögerlich: „Jaaa….“
Er, mit aufgerissenen Augen: „NEIN! Aber wer gibt uns dann Essen?“
Ich: „Mama und Papa sterben bestimmt erst, wenn du schon ganz groß bist. Dann bist du vielleicht selbst ein Papa und deine Brüder auch und dann arbeitest du und verdienst Geld und dann kaufst du selbst Essen.“

Er: „Sterben auch Babies?“
Ich: „Ja, aber meistens erst wenn sie ganz alt sind, wenn sie Omas und Opas sind und noch älter.“
Er: „Sterben auch (zählt verschiedenste Personen und Berufe auf)?“
Ich: „Jaaa, aber erst, wenn sie ganz alt sind.“
Er, erschrocken: „Aber dann ist hier ja keiner mehr! Dann sind ja alle tot!“
Ich: „Nein, es sterben mal hier eine Oma oder da ein Opa und währenddessen gibt es neue Babies, die irgendwo geboren werden, und dann gibt es immer Leute – alte und junge.“

Wir fuhren mit unserer Aufgabe fort.
Am Ende der Stunde, als wir seine Mutter herein riefen:
Er: „Mama, du musst sterben! Weißt du das?“
Sie: „Jaaa, weiß ich.“
Er: „Willst du das?“
Sie: „Nein, aber alle müssen sterben, auch wenn das keiner will.“

Zum Glück nahm die Mutter es ganz gelassen, dass sich ein Gespräch über ein derart „schwieriges Thema“ ergeben hatte – aber wenn es dran ist, ist es dran.

aufmerksam, glaubhaft

Fürbitte einmal anders

Heute während des Frühstücks wurde ich angerufen, ob ich am Sonntag im Gottesdienst beim Abendmahlsdienst mitmache – mein Teil sei die Fürbitte. Normalerweise lasse ich mich unter der Bedingung, dass ich ein Dankgebet spreche, zum Abendmahl einteilen – für die Fürbitten braucht man einen guten Überblick, welche Katastrophe gerade wo passiert, und genau darum kümmere ich mich normalerweise nicht (Absichtlich, weil das Leid der Menschen vor meiner Tür mir bereits genug zusetzt). In diesem Fall war ich aber direkt ganz dankbar, die Fürbitte als Vertretung zu übernehmen, weil ich dann endlich mal vorne im Gottesdienst stehen und eine Lanze für die Frauen dieser Welt brechen kann.
So werde ich morgen im Fürbittegebet über Zwangsverheiratungen und -prostitution, Arbeitssklavinnen, Gewalt gegen Frauen in jeglicher Form und noch so einiges mehr beten.

Hier einige Zahlen dazu:
3/4 aller armen Menschen (1,4 Milliarden) sind Frauen
Frauen erledigen 2/3 der Arbeit auf der Welt, verdienen aber nur 10% des Einkommens und besitzen gerade mal 1% des Eigentums
450 Millionen Frauen in Entwicklungsländern sind mangel- und unterernährt
80% der Flüchtlinge sind Frauen
66% der Analphabeten weltweit sind Frauen
2 Millionen Mädchen pro Jahr erleiden die Genitalbeschneidung

Wahrscheinlich werden anschließend ältere Gemeindemitglieder auf mich zukommen und ihre Kommentare abgeben, aber hey: Wir beten oft genug für die Alten und Kranken und ebenso beten wir ausreichend für Erdbebenopfer. Dass für die notleidenden und unterdrückten Frauen dieser Welt gebetet wird, habe ich noch nie erlebt.
Also. Ich tu’s morgen.

 

Quelle der genannten Zahlen: emotion März 2012

aufmerksam, glaubhaft

Selbstheilungskräfte aktivieren

Gerade habe ich beim heutigen Themen-Abend auf „arte“ interessante Impulse zum Thema „Der innere Arzt – was Gehirn und Psyche für die Heilung tun“ bekommen.

Der Link: http://www.arte.tv/de/4204560.html

Wieder einmal wurde deutlich, wie wichtig das Gespräch zwischen Arzt und Patient bzw. Therapeut und Patient ist und wie viel durch eine sensible Aufklärung sowie den Blick auf die Ressourcen bewirkt werden kann – und das zu geringeren Kosten für das Gesundheitswesen als der Einsatz teurer Medikamente und Operationen.

Dabei ging es darum, wie die Selbstheilungskräfte (wieder) aktiviert werden können und wie der Patient eigenverantwortlich die Behandlung mitgestalten kann.
So kam eine Psychotherapeutin zu Wort, die viel mit Krebskranken arbeitet:
Sie ließ die Patienten einen zufälligen Buchstaben aus dem Alphabet nennen und bat sie, möglich viele Wörter zu finden, die mit diesem Buchstaben anfangen und Wohlbefinden ausdrücken. Durch eine willkürliche Aktivierung positiver Assoziationen kann der Patient sich aus einer Situation der Niedergeschlagenheit selbst zu einem veränderten Blick führen.
-Und sei es nur für den Moment, wo die Hoffnungslosigkeit oder die Angst übermächtig zu werden droht und eine Ablenkung dringend notwendig ist.
Zusätzlich wurde wieder einmal bewiesen, wie wichtig positives Denken ist – auch dabei unterstützt die Übung.

Gerald Hüther, der bekannte Neurologe, kam ebenfalls zu Wort und beschrieb, was Menschen gesund hält bzw. was der inneren und äußeren Gesundheit Auftrieb gibt:
– Das Wissen, kompetent zu sein (Selbstwertgefühl)
– Das Wissen, jemanden zu haben, der einem hilft, wenn man nicht mehr weiter weiß (Soziale Kontakte)
– Das Wissen, dass ich geborgen bin in dieser Welt (Spiritualität, Glaube)

aufmerksam, feminin

Frauen-Gesundheit

IMG_7680

 

Obwohl ich mehrere medizinische Fachbücher besitze, weiß ich bis heute nicht genau, wie der weibliche Zyklus funktioniert.
Der Grund dafür liegt einerseits darin, dass die herkömmliche Literatur auch für Menschen, die eine Reihe Seminare an der Uniklinik hatten, schwer verständlich ist. Diese mangelnde Verständlichkeit ist in der Beschreibung und Verkürzung der Vorgänge im Körper der Frau zu suchen, weil sie vorrangig von Männern dargestellt werden (mein Grundlagenwerk zum Thema Anatomie und Physiologie ist von einem alten Herrn geschrieben worden).
Zusätzlich ist der einzige Kommentar einer jeden Gynäkologin (und ich kenne inzwischen eine Handvoll), die ich frage, wie man auf natürliche Weise den Zyklus ins Lot bringen kann, „die Pille“. Bisher habe ich nirgendwo eine andere Antwort außer „Nehmen Sie die Pille, es gibt nichts anderes“ gefunden, und diesem Ratschlag verweigere ich mich konsequent. Die negativen Erfahrungen meiner Freundinnen sowie die Untersuchungsergebnisse bezüglich der Nebenwirkungen hormoneller Verhütungsmittel schrecken absolut ab.
Noch dazu, wenn es vorrangig darum geht, das prämenstruelle Syndrom zu besiegen.

Nun habe ich gerade das Buch „Verhütung  Zyklus  Kinderwunsch“ von Simone Hoffmann gekauft und blättere emsig darin.
Es ist von einer Journalistin und Ärztin geschrieben worden, die sich darüber ärgert, dass Frauen zu wenig wissen, was in ihrem Körper vorgeht.
Die sich darüber ärgert, dass es stets darum geht, Frauen und ihre hormonellen Vorgänge „passend“ zu machen, sie zu verändern, zu unterdrücken oder zu optimieren.
Der Rahmen des Physiologischen, also Gesunden und „Normalen“ ist weit gesteckt – der weibliche Körper kann nicht so normiert werden, wie männliche Ärzte dies gerne wollen und tun. Umso ärgerlicher ist es, wenn weibliche Gynäkologen statt auf Aufklärung ebenfalls auf Chemie setzen und die Frauen unmündig lassen.
Ich bin der Meinung, dass eine informierte Frau eine gesunde Frau ist – und sei es dadurch, dass sie mit dem Informationszuwachs ein besseres Gespür für ihren Körper bekommt.
Und ich bin der Meinung, dass ein informierter (Ehe-)Mann ein besserer Partner ist und eine offene, lockere Kommunikation über Körper und Sexualität den Wert der Partnerschaft steigert.

Ich empfehle dieses Buch jeder und jedem, die/der den weiblichen Körper besser verstehen und dabei unabhängig von der Manipulation durch voreingenommene Ärzte und Pharmakonzerne sein möchte. Es eignet sich für Frauen und Männer gleichermaßen und zeichnet sich durch hohe Sachlichkeit aus.

aufmerksam, glaubhaft, kreativ

Kindermund: Aufklärung

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Aufklärung die Erste: Ich wurde aufgeklärt
Junge, 6 Jahre alt: „Guck mal, ich hab hier so Haare am Fuß,“ rutschte vom Stuhl, kam um den Schreibtisch und legte mir seinen Fuß auf’s Knie.
Ich: „Das ist das Bein, ja, da hast du kleine Härchen.“
Er: „Fühl mal!“
Dann: „Und am Arm, da habe ich auch Haare. Da.“
Während er zurück um den Tisch auf seinen Platz ging: „Mein Papa hat auch Haare. An den Eiern.“
Ich schaute ihn mit großen Augen an, er präzisierte: „Aber ich nicht. Die hat man nur am Pieschermann, wenn man groß ist.“
Daraufhin leitete ich ihn zügig zurück auf unsere ursprüngliche Aufgabe, bevor er meinte, mich noch weiter aufklären zu müssen.

Aufklärung die Zweite: Ich klärte auf (bezüglich EHEC, da sich kaum noch jemand traut, etwas Frisches zu essen)
Während ich am PC saß und Berichte schrieb, kam mein Chef rein und sah ratlos aus:
„Normalerweise esse ich ja jetzt immer einen Salat………“
Ich: „Jaaa, mach doch. Ich habe gestern Salat gegessen und vorgestern Gurke.“
Er: „Nee! Wie machst du das denn? Mit ganz viel Abwaschen?“
Ich: „Abwaschen – beten – essen.“
Er: „Mariiie!“ und bekam einen Lachanfall.
Ich: „Na, wirkt doch. Ich bin quitschlebendig.“

aufmerksam

Meilensteine

In dieser Woche habe ich im Elterngespräch in der logopädischen Stunde das erste Mal einer Mutter ganz klar und direkt gesagt, dass ich von ihrem Vorgehen ihrem Kind gegenüber abrate.
Bisher habe ich Verbesserungsvorschläge in Formulierungen wie „Schön, dass sie mit ihr/ihm dieses und jenes tun, aber noch besser ist es, wenn Sie…..“ verpackt. Und dann folgte meine Erläuterung, was dem Kind angesichts seines aktuellen Entwicklungsstandes an Unterstützung gut täte.
Leider habe ich gemerkt, dass viele Mütter nicht gut zuhören und auf „pädagogisch vorsichtige“ Einwände nicht reagieren. Oder nur die Freundlichkeit in meiner Stimme hören und nicht die konstruktiven Hinweise, die ich ihnen auf der sachlichen Ebene übermitteln möchte.
So sagte ich vor Kurzem das erste Mal deutlich und direkt, ohne nette Rhetorik, dass das Kind eine andere Förderung benötigt als die, die die Mutter ihm angedeihen lässt.
In diesem Fall erklärte ich der Mutter, dass es dem Entwicklungsstand ihres Sohnes nicht entspricht, Zahlen und Buchstaben zu lernen: Er ist mit fast vier Jahren auf dem Stand eines knapp Dreijährigen und kann beispielsweise Pfanne und Topf weder benennen noch auseinander halten, obwohl wir seit der ersten Stunde immer wieder kochen spielen (mit spezifischem Input meinerseits). Ein Kind, das nur wenige Nomen kennt, das in Bezug auf Verben viel Input braucht und diese trotzdem nur im Ausnahmefall behält, das ist definitiv nicht reif für abstrakte Inhalte wie Zahlen und das Alphabet. So habe ich das erste Mal sehr deutlich das Bild der Mutter vom kognitiven Status ihres Sohnes demontiert. Selbstverständlich ließ ich sie erst gehen, nachdem wir eine Perspektive für die Zukunft entwickelt hatten.
Bisher hatte ich immer Angst, Mütter zu verletzen und zu verunsichern. Da ich gemerkt habe, dass es manchmal ohne die unverhüllte Wahrheit nicht vorwärts geht, werde ich nun öfter den Mut haben, beschönende und vorsichtige Formulierungen wegzulassen.
Unabhängig davon erschreckt es mich, wenn Mütter „objektive Leistungen“ wie zählen und schreiben wichtiger finden als Wortschatz und Satzbau, von Artikulation ganz zu schweigen.
Und es irritiert mich jedes Mal wieder neu, wenn Mütter meinen, ihr Kind fördern zu müssen und es heillos überfordern. Wenn ein Kind, dessen Mutter polnisch und dessen Vater türkisch spricht, im Kindergarten auf deutsch klarkommen muss, ist das anstrengend genug. Wenn es aufgrund des Ehrgeizes der Mutter zusätzlich in die Englisch-Stunde gesteckt wird, dann bin ich einfach sprachlos angesichts des kognitiven Pensums des Kleinen und der fehlenden Würdigung der Mutter genau dieser täglichen Leistung gegenüber.

Damit kein falsches Bild entsteht:
Selbstverständlich gibt es auch viele Mütter, die ihren Kindern ein ganz natürliches Vorbild sind und Bildung kreativ und alltagsnah statt ehrgeizig betreiben. Es freut mich immer wieder, mit Müttern zusammen zu arbeiten, die ganz selbstverständlich und entspannt als Co-Therapeutinnen und Expertin für ihr Kind auftreten. Die kompetent Informationen weitergeben, ebenso wie sie aufmerksam Fragen stellen oder sich Übungen erklären lassen.