aufmerksam, glaubhaft

Aufgetaucht

Im Urlaub hatten wir das große Glück, gleich am ersten Tag Delfine beobachten zu können. Wir waren grade oben auf den Felsen angekommen, da entdeckte mein Mann sie zufällig.
Jedes Mal, wenn ich in den folgenden Tagen am Meer war, hielt ich nach ihnen Ausschau. Ein weiteres Mal hatte ich Glück, ein Pärchen in unruhigen Wellen entdecken zu können. Als wir mit dem Rad an der „Heimatbucht“ der Delfine entlang fuhren, sahen wir leider keine. Dennoch hoffte ich jedes Mal auf’s Neue, sie noch einmal beobachten zu können.
Das ließ mich an Bibelstellen denken, in denen die betende Person beschreibt, wie sie sich auf Gott ausrichtet und ihn erwartet:
„Bei Nacht sind meine Gedanken bei dir, voller Sehnsucht suche ich dich.“ Jesaja 26, Vers 9
Wie gut ist es, dir, HERR, zu danken und deinen Namen, du höchster Gott, zu besingen, schon früh am Morgen deine Gnade zu loben und noch in der Nacht deine Treue zu preisen,“ Psalm 92, Verse 2 und 3

Eine große Sehnsucht spricht aus den Worten, ein tiefes Verlangen.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich Gott in meinem Leben bisher nur sehr selten so sehnlichst erwartet habe. Klar, in besonders schwierigen Momenten oder in Krisen ging es mir durchaus ähnlich. Aber dass ich im Alltag Gott mit offenen Armen empfange, nach ihm Ausschau halte, ihn in den Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit stelle? Das passiert leider selten und ich erwarte eher die Rückkehr meines Mannes von einem Abendtermin oder einer Geschäftsreise.
Der Psalm erinnert mich an die Wünsche der jungen Liebenden, die im Hohelied der Bibel dokumentiert sind (Nachts auf meinem Bett sehnte ich mich nach meinem Liebsten. So gern wollte ich bei ihm sein, doch er war nicht da! Hoheslied Kapitel 3, Vers 1). Intensive Sehnsucht ist in meinem Erleben oft mehr mit romantischer Liebe verbunden als mit dem Warten auf Gott. Wobei Gott im Vergleich zu menschlichen Beziehungen die sicherere Alternative ist, schließlich hat er uns bedingungslose Liebe mit der Perspektive Ewigkeit versprochen. Meist sind uns die Beziehungen zu „echten“ Menschen aber wichtiger und lieber als die doch schwer fassbare Beziehung zu Gott. Und so wenig ich mich auf die Loyalität von Menschen verlassen kann, hilft mit der Gedanke an Gottes Loyalität manchmal nur bedingt: Schließlich ist Gott für mich nicht ständig greifbar, nicht in jedem Moment des Lebens gleichermaßen spürbar. Das Wissen im Kopf („Gott ist da“) und das Gefühl im Herz („Gott ist spürbar da“) ist nicht immer deckungsgleich: Manchmal fühlt mein Herz etwas ganz anderes als das, worauf sich der Kopf verlassen will. Jenseits der Emotionen kann ich mich am Wort der Bibel festhalten, aber auch das gelingt meist nur bruchstückhaft.
So wünsche ich mir und uns, dass wir Gottes Nähe öfter als etwas Lohnenswertes begreifen und unsere Aufmerksamkeit auf ihn richten, statt zu erwarten, dass er schon von allein in unserem Leben auftauchen wird. Die Delfine habe ich schließlich auch aktiv gesucht, statt zu glauben, dass sie in der Ferienwohnung am Frühstückstisch erscheinen.

aufmerksam, glaubhaft

Dankbar, überrascht, enttäuscht, erleichtert und dankbar.

Erntedank ist nach dem Sommerurlaub, in dem ich zum ersten Mal in Ruhe innehalte und einen Blick auf meinen Alltag werfe, bereits der zweite Rückblick auf das aktuelle Jahr. Noch nicht so endgültig wie Silvester, aber doch eine deutliche Zäsur. Vorrangig deshalb, weil es für mich schon lange eine Tradition ist, zum Erntedank-Gottesdienst etwas mitzubringen, wofür ich dankbar bin. Ein Erntedankfest ohne Gemeindemitglieder, die nacheinander vorn am Mikro stehen und aus ihrem Leben erzählen, ist für mich kein Erntedank. Es wird für überstandene Krankheiten gedankt, für Omas, die immer noch leben, für erfolgreiche Bewerbungen, für gesunde Babies, für ein Leben nach dem Verkehrsunfall, für abgewendete Insolvenzen, für glückliche Ehen. Auf dem Altar liegen dann verbeulte Verkehrsschilder, Schnuller, Urlaubsfotos, Hochzeitserinnerungen, neue Haustürschlüssel und Röntgenbilder. Früher oder später wird immer geheult, und ein Erntedank ohne Glückstränen für das gelungene Leben anderer ist für mich kein Erntedank. Entsprechend schaue ich in den Wochen vor dem Festgottesdienst auf mein Leben und überlege, wofür ich besonders glücklich bin. Und was ich als Symbol dafür mitbringe. Manchmal musste ich Erntedank während Krisenzeiten feiern, da liefen nicht nur Glückstränen. Aber auch, denn das Glück anderer gibt auch denen Hoffnung, die gerade nicht fröhlich am Mikro stehen und der ganzen Gemeinde ihr Leben zeigen möchten.

glaubhaft

Spannungsreiches Gesumm

 

Ich saß auf dem Balkon, der dieses Jahr mein privater Rückzugsort zum Lesen und Durchatmen geworden ist. Vor mir landete eine Biene auf den grauen Steinplatten. Sie verhielt sich sehr eifrig, vibrierte am ganzen Körper und sah definitiv fleißig aus. Nur: Sie saß auf keiner Blüte, sondern auf der sonnenwarmen Steinplatte. Vielleicht wärmte sie sich ein wenig auf. Vielleicht suchte sie aber auch völlig fehlgeleitet ihr Glück (und ihre Nahrung) an der falschen Stelle.
Unangenehmerweise erinnerte die Biene mich an mein eigenes Verhalten: Wie oft suche ich etwas am falschen Ort? Wie oft möchte ich ein Bedürfnis stillen und wende mich damit in die falsche Richtung – weg von dem, was sinnvoll wäre, hin zu etwas, das mich innerlich leer lässt? Wie oft vibriere ich vor Anspannung und nehme mir eine oberflächliche Auszeit, die tatsächlich nur in noch mehr Aktionismus führt?
Ich hoffe für die Biene, dass eine warme Steinplatte das war, was sie wirklich benötigte und ihr wohl tat.
Und ich hoffe für mich und uns, dass wir das tiefliegende Bedürfnis hinter unserer eigenen Kulisse erkennen. Dass wir uns nicht mit Fast-Food-Methoden abspeisen (lassen), sondern dem Hunger nach Ruhe, nach Liebe, nach Lebenssinn, nach Gott auf den Grund gehen. Auch, wenn wir befürchten, dass das anstrengender ist als der oberflächliche Lustgewinn.

aufmerksam, glaubhaft

Glücksrezept, fünfte Zutaten

 

Ein letztes Zitat aus Maike van den Booms schlauem Buch „Wo geht´s denn hier zum Glück? Meine Reise durch die 13 glücklichsten Länder der Welt und was wir von ihnen lernen können“:

>> Ana Maria, die quirlige Rechtsanwältin aus Bogota, antwortet wie aus der Pistole geschossen: „Erstens: Man muss die Familie, so viel es geht, genießen. Zweitens: Jeden Freitag muss man ausgehen, trinken und tanzen bis zum Abwinken. Das findet auch Kodwhani aus Montreal. „Wir haben Spaß am Leben: hart arbeiten und dann, wenn die Arbeit getan ist, rausgehen und feiern, was das Zeug hält. Wenn es Zeit ist zu feiern, ist es Zeit, zu feiern!“ (…)

„Und es ist so typisch für die Kanadier,“ so George vom Parklatz, „dass sie sich für etwas wirklich Zeit nehmen. Du fährst durch Kanada und dann hälst du hier in Brandon an und fragst die Leute Hey, kann ich mit dir über Glück reden? – Was antworten sie? Klar, liebend gerne! Und ich glaube, dass ist die Botschaft an die Deutschen: Seid nicht so diszipliniert, lasst euch ein bißchen mehr treiben, habt ein wenig mehr Flow.“<<

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Ehrgeiz, der: Produktive Unzufriedenheit mit zielgerichteten Träumen

Außergewöhnlich und in Hamburg nur auf einer einzigen Wiese heimisch: Der Bienenkäfer

Schon immer lebe ich mit einer gesunden Portion Ehrgeiz. Mit dem Hintergrund zu verschwimmen oder ein Dasein als fleißige, aber unsichtbare Arbeitsbiene zu verbringen, war nie mein Ziel. Mit viel Energie, ordentlich „Pfeffer im Arsch“ und ständig neuen Ideen gesegnet ist Langeweile für mich ein Fremdwort.
Bereits anderthalb Jahre nach meinem Berufseinstieg als Logopädin war ich völlig angeödet und habe mich mit Mitte zwanzig gefragt, ob das jetzt schon alles gewesen sein soll? Als Logopädin ist einem ein Dasein als Fleißbiene zugedacht, Karrieremöglichkeiten gibt es nicht. So tobte ich mich im Ehrenamt aus, versuchte mit genähten Kreationen ein zweites Standbein aufzubauen und fing in der Praxis mit inoffiziellem Qualitätsmanagement an.
Der Wechsel in eine andere Praxis reichte mir nicht, der Horizont als Logopädin verbunden mit skandalös niedrigem Gehalt war mir einfach zu eng. Nach zwei Jahren der beruflichen Neuorientierung voller Seminare und Projekte bin ich das erste Mal auf einem Arbeitsplatz gelandet, der mit meinem Tempo Schritt hält. Zum Ende meiner Probezeit bin ich grade ins Nachbarbüro umgezogen, um in einen neuen Aufgabenbereich mit mehr Verantwortung eingearbeitet zu werden. Zum ersten Mal in meinem Leben fallen mir Konzepte und Projekte in den Schoß. Bisher musste ich immer darum kämpfen, vorwärts zu kommen und Entwicklungsmöglichkeiten zu nutzen. Auf einmal trägt mein Einsatz Früchte. Plötzlich erlebe ich eine Welle von Erfolg und Anerkennung, über die ich sehr dankbar bin. Und die mir Dimensionen eröffnet, von denen ich bisher nur träumen konnte.

Parallel irritiert es mich immer wieder und immer mehr, wie wenig beruflichen Ehrgeiz viele Freundinnen und Bekannte haben. Die meisten sind mit ihrer Familie völlig ausgelastet, denn der Trend in meinem Umfeld geht gerade zum Viertkind. Bei einigen weiß ich, dass sie deshalb weiter Kinder bekommen, weil sie keinerlei berufliche Perspektiven haben. Alle meine Freundinnen arbeiten im sozialen Bereich – auf das kleine Gehalt bei immenser nervlicher Belastung verzichten logischerweise viele dankend.
Davon unabhängig macht es mich sprachlos, wenn ich vorsichtig nach Träumen und Plänen nach der Kinderzeit frage und „Nichts“ als Antwort erhalte. In meiner Erinnerung hatten alle Freundinnen zu Studien- und Ausbildungszeiten klare berufliche Wünsche. Ich verstehe vollkommen, dass Frauen zwischen Stillen und Einschulung völlig absorbiert von ihrer Mutterschaft sind. Aber danach?

Vielleicht ist mein gesunder Ehrgeiz gar nicht so normal, wie ich immer dachte. Vielleicht ist meine „produktive Unzufriedenheit“ etwas Persönliches und nichts Universelles. Vielleicht sind viele mit dem Status quo zufrieden. Vielleicht brennen nicht alle für ihre Arbeit. Vielleicht brauchen nicht alle ständig neue Pläne und Herausforderungen, um sich lebendig zu fühlen. Und vielleicht entwickeln sich Prioritäten im Leben ursprünglich Gleichgesinnter immer weiter auseinander.

 

Flieg, kleiner Bienenkäfer, flieg ins Weite!

aufmerksam, glaubhaft

Glücksrezept, vierte Zutaten

 

Ein weiteres Zitat aus Maike van den Booms schlauem Buch  „Wo geht´s denn hier zum Glück? Meine Reise durch die 13 glücklichsten Länder der Welt und was wir von ihnen lernen können“:

>> Ich fahre stundenlang auf den endlosen Straßen Kanadas, Australiens, Finnlands und Schwedens. Kein Mensch, kein Haus. Wie erfrischend. Wie allein. Wie fein. Wir sind ganz schön viele Menschen in Deutschland, denke ich während meiner Reise immer öfter.
Immer und überall ein Haus. Ständig. Im dicht besiedelten Deutschland müssen wir uns mehr Mühe geben, Ruhe und übermächtige Naturerlebnisse zu finden. Denkt auch Nils, ein 31-jähriger Student, der seinen Sohn im Kinderwagen durch Göteborg schiebt:
„Die Deutschen sollten die Natur mehr schonen, damit sie diese unberührter erleben können. Sie sollten nicht so viele Häuser und Straßen bauen.“
Wie? Keine freie Fahrt für freie Bürger? Mir wäre inzwischen freie Natur für freie Bürger lieber. Steffi, die freche Berlinerin aus der Schweiz, berlinert fröhlich drauf los:
„Also ich denke, dass die Schweizer so glücklich sind, weil sie so viel Natur haben. Sehr viele Berge rundherum, die Balsam für die Seele sind. Es ist ein kleines Land, es gibt hier nicht so viele Menschen, es ist nicht so übersiedelt. Hier hat man einfach mehr Platz und mehr Freiheit als in Deutschland.“<<

 

Die Zutaten für das erste, das zweite und das dritte Glücksrezept erschienen hier.