Begegnungen im „Nachbarschaftsgarten der zweiten Chance“: Auch ne olle Kuh lernt immer dazu

Im März ist in meinem Beet am Straßenrand immer besonders viel los:
Viele Tonnen an Stauden werden auf dem Friedhof weggeworfen, um Platz für die neue Frühjahrsbepflanzung auf den Gräbern zu machen. Also bin ich regelmäßig mit dem Rad unterwegs, um möglichst viele Blumen und Sträucher zu retten und in der Verkehrsinsel vor dem Haus einzupflanzen.
Die Sonne der letzten Tage bringt die sonnigere Seite in den Nachbar:innen hervor: Sie bleiben vermehrt stehen, um sich mit mir über mein Guerilla-Gardening-Projekt auszutauschen oder die Frühblüher zu bewundern, während ich kopfüber in der Rabatte stecke.
Insbesondere ältere Damen, die ihren täglichen Spaziergang machen, sind an einem Schnack interessiert.
So unterhielt ich mich heute ausgiebig mit einer Dame, die meinte, dass sie sonst immer auf der anderen Straßenseite entlang gehen würde. Jetzt, wo sie wisse, wie viel in meinen 18 qm Beet zu entdecken sei, komme sie öfter an diesem Straßenabschnitt vorbei.

Vorher hatte ich auf all die Anzeichen des Frühlings hingewiesen – auch die, die leicht übersehen werden:
Letztes Jahr hatten sich die Vergissmeinnicht ausgesamt und stehen jetzt in dicken Büscheln im vorderen Bereich des „Nachbarschaftsgartens der zweiten Chance“. Überall schauen Hyazinthen zwischen den Blättern anderer Stauden hervor, seit heute blühen die ersten. Manche Kräuter haben die strengen Fröste überlebt, beispielsweise der Salbei und der Thymian. Während ich mich mit der Dame über all die verschiedenen Blumen unterhielt, zupfte ich ein großes Blatt Salbei ab und rieb es zwischen den Fingern, um es ihr zum Schnuppern unter die Nase zu halten: So, wie ich es all die Jahre in der Seniorenbetreuung mit diversen Damen auf Spaziergängen und in der Gartengruppe getan habe. Da denke ich überhaupt nicht drüber nach…. bis ich dann innerlich zusammen zucke und denke: „Marie, du kennst die Frau überhaupt nicht, und steckst ihr nach 10 Minuten Gespräch schon zerriebene Kräuter ins linke Nasenloch. Ähhh, wie wär’s mit Abstandhalten?“
Aber die Dame genoss meine impulsive Art und die fehlende Distanz ganz offensichtlich, also habe ich ihr kein Leid angetan. Kurz darauf war sie schon damit beschäftigt, andere Blätter abzuzupfen und daran zu schnuppern. Auch die Mühlenbeckia (oder das, was nach dem Frost von ihr übrig ist) wurde zum Riechen untersucht – und dass, wo sie an vorderster Front am Radweg steht und sicherlich einige Hunde“duschen“ pro Tag abbekommt. Gemach, gemach – das ist hier immer noch der Straßenrand und nicht der heimische Kräutergarten, also bitte Vorsicht! Das erinnerte mich an „meine“ Seniorinnen, die ebenfalls alles abrupften, beschnupperten und aßen (!), was ihnen an Pflanzen in die Finger fiel, sobald ich nur irgendwie in der Nähe war. Frei nach dem Prinzip: „Wenn Marie in der Nähe ist, dann darf man das!“ Jaaaa, schon, aber nicht ALLE Blätter sind zum Verzehr geeignet. Auch dann nicht, wenn ich daneben stehe!

Der Dame am Straßenrand erklärte ich außerdem, dass die Skimmia in kürzester Zeit blühen würde:
Das, was an den kleinen Sträuchern wie rote Beerenstände aussieht, sind in Wahrheit Knospen. Die Blattschmuckstauden werden im Herbst und Winter überall verkauft, und im Frühjahr herausgerissen – noch bevor sie zur Blüte kommen.
Dabei sind sie eine hervorragende Nektarweide für viele Insekten, die nach den ersten Krokussen erstmal wieder hungern müssen.
Wie in Hamburg alte Damen angesichts neuer Infos gerne sagen: „Auch ’ne olle Kuh lernt immer dazu!“

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