Wenn ich morgens in die Senioren-Residenz zum Arbeiten komme, schaue ich an der Rezeption ins Dienstbuch, um alle relevanten Neuigkeiten zu erfahren:
Welche BewohnerInnen sind in den Urlaub gefahren, ins Krankenhaus gekommen, zurückgekehrt oder verstorben? Besonders der letzte Punkt ist extrem wichtig, um im Gespräch mit KollegInnen, SeniorInnen und Angehörigen nicht schwungvoll ins Fettnäpfchen zu stolpern.
Oft passiert es, dass ich auf diese Weise von einem Sterbefall erfahre und mir hundert Gründe einfallen, was ich dieser Person schuldig geblieben bin:
Ich hätte noch einmal anrufen können, einen Besuch zwischen quetschen können, einen Gruß vorbeibringen können….
Natürlich ist mir klar, dass ich bei über 300 BewohnerInnen nicht alle ständig im Blick haben kann, und dennoch…. dennoch….. habe ich oft das Gefühl, etwas versäumt zu haben.
Umso erleichterter bin ich, wenn wieder einmal ein Sterbefall eintritt und ich guten Gewissens sagen kann, dass ich dort eben noch aktiv war.
Als ich vom Tod von Frau Puttfarken (Name geändert) las, dachte ich direkt daran, dass ich zwei Tage zuvor noch eine Andacht vorbei gebracht hatte. Zudem eine, in der ich die EmpfängerInnen gleich mehrfach persönlich mit Namen angesprochen hatte (hier ist das Booklet zu finden). So konnte ich nur hoffen, dass sie mein Impulsheft gelesen und gute Gedanken daraus mitgenommen hatte. Frau Puttfarken kam zwar immer mal zu meinen Gottesdiensten, war aber keine gläubige Frau im klassischen Sinne. Da ich meine Andachten extra so konzipiere, dass sie offen für alle sind, schien sie sich wohlgefühlt zu haben. Daher vertraue ich darauf, dass zumindest irgendein Detail meines Inputs ihr in den letzten Momenten gegenwärtig war oder kurz zuvor noch zu einem dankbaren Rückblick eingeladen hat.
— aufmerksam, glaubhaft —
Wieder einmal vom Tod überrascht
28. Juni 2022